Nur Fliegen ist schöner
von Bernd Kramer
Süddeutsche Zeitung vom 11.08.2023
Portrait des minderjährigen Hochstaplers Adem K,. der als Manager der angeblich neu gegründeten Bavarian Airline Geschäftspartner und Medien erfolgreich hinters Licht führte, und des Podcasters Sebastian Steinbach, der ihn enttarnte.
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Nur Fliegen ist schöner
Adem K. sieht die Geschichte erstaunlich locker. Er werde ja gern mit Frank Abagnale verglichen, dem berühmten Scheckbetrüger, dem Steven Spielberg mit „Catch Me If You Can“ ein Denkmal gesetzt hat. Der hat sich als Arzt und Anwalt ausgegeben und flog schließlich als falscher Pilot um die Welt, verfolgt von einem FBI-Agenten, dem er immer wieder entwischte. So viel kann man sagen: Die Leidenschaft für Luftfahrt teilt Adem K. mit dem Schwindler. Mindestens die.
Ein Montag im Mai, in einem Bistro am Düsseldorfer Airport, Blick aufs Rollfeld. Adem K. hat einen Anzug an, der ein bisschen zu groß wirkt, dazu eine blaue Krawatte, die nur kurz davon ablenkt, dass er auch eine Zahnspange trägt. Er erzählt von seinem Traum vom Fliegen, der einfach nicht platzen will. Auf manchen Airports finde er sich blind zurecht, sagt er, den hier in Düsseldorf zum Beispiel kenne er auswendig. Es habe ihn schon früh fasziniert, wie sich so eine schwere Maschine in der Luft hält. Als Kind habe er sich von seinen Eltern Reisen gewünscht, einen Flug nach Kopenhagen und eine Stunde später zurück. Keine Übernachtung, nur die Bordkarte. Hätten sie nicht verstanden. Aber er hätte damals halt selbst auf die Tickets gespart.
Und irgendwann hat Adem K. dann offenbar beschlossen, eine Fluggesellschaft zu gründen. Mit 18, zumindest sagt er, dass er so alt sei. Er findet, das ist dringend notwendig, der Service, den er bei anderen Gesellschaften erlebt habe, sei miserabel. Er zeigt ein Bild auf dem Handy: Das sei ihm neulich bei der Lufthansa vorgesetzt worden, von Düsseldorf über München nach Tallinn, 850 Euro. Drei Stücke rosa Fleisch, drei Stängelchen grüner Spargel, ein Klecks weiße Soße, ein Klecks rote Soße. K. sagt: „Schon sehr geringfügig, oder?“ Und dann erst die Sitze und der Service. Und dass das Internet an Bord Geld kostet, in der Business Class. „Unverschämt, meiner Meinung nach.“
Mit seiner Gesellschaft Bavarian Airlines will er das alles besser machen. Auf dem Laptop hat K. eine Präsentation mit dem geplanten Routennetz, von München zu den wichtigsten Städten Europas. Berlin, Frankfurt, Düsseldorf. „Confidential“ steht drauf, vertraulich. Eigentlich hätte es dieses Jahr schon losgehen sollen. Aber na ja, es kamen ja ein paar unschöne Dinge dazwischen.
Wenn K. durchs Terminal geht, setzt er seine Airpods Max auf, Kopfhörer für mehrere Hundert Euro. Dann erzählt er wieder mit kindlicher Stimme von seiner „Marktanalyse“, immer im Businessmenschen-Jargon. Vor dem Gespräch hat er eine „Agenda“ geschickt, „12:00 Terminal B (Flugh. Düsseldorf)“, anschließend der „Transfer“ (eine S-Bahn-Fahrt) zu einem Treffen mit seinem neuen Geschäftspartner, mit dem es jetzt wirklich was werden soll mit der Airline. Man solle bitte „viel Zeit mitbringen“, schreibt er.
Es gibt eine Reihe von Menschen, die behaupten würden, K. sei skrupellos, kriminell und manipulativ. Ein Schwindler, der Rechnungen über Zehntausende Euro nicht bezahlt hat und einen Vertrag über Hunderttausende unterzeichnet hat, ohne das Geld zu haben. Ein Hochstapler wie ebenjener Frank Abagnale – und zwar ein sehr junger.
Aus K.s Sicht sind das alles unhaltbare Vorwürfe, völliger Quatsch, Rufschädigung, er sei ein seriöser Geschäftsmann mit einem durchdachten Projekt, und „relativ bodenständig“. Klar, da war dieser angebliche Doktortitel, der auch in Dokumenten zur Airline-Gründung auftaucht, da habe seine Assistentin einen Fehler gemacht, längst korrigiert. Und dann die Sache mit der Bundespolizei, die ihn festhielt, hier am Düsseldorfer Flughafen, offenbar auf der Suche nach einem falschen Ausweis – auch so ein Missverständnis. Die offenen Rechnungen? Da habe seine Finanzabteilung gesagt, er müsse nicht zahlen. Er habe Pech gehabt mit den Geschäftspartnern, er wisse auch gar nicht, warum er sich auf diesen Herrn Lampel eingelassen habe. Dann schaut K. raus aufs Rollfeld: „Oh, da fliegt der A220 gleich.“ Eine Maschine, wie sie für Bavarian Airlines ja auch in Betracht käme.
Anfang des Jahres löste Adem K. Wirbel in der Luftfahrtszene aus. Auf einem Branchenportal erschien ein kleiner Artikel über „ein neues Airline-Start-up“. Die Redaktion war auf die Website der angeblichen Bavarian Airlines gestoßen, der Flughafen München und das Luftfahrtbundesamt bestätigten den Kontakt mit Adem K. Medien griffen die Meldung auf, [anderes Medium] berichtete, [anderes Medium II] fragte für ein Interview an, und K. hatte offenbar keine Skrupel zuzusagen, obwohl es nichts weiter gab als seine Absicht, eine Airline zu gründen: Er plane mit dem Geld von Risikokapitalgebern eine „Marktergänzung“ zur Lufthansa, sagte er in die Kamera. Von da an hob die Sache ab.
An diesem Tag im Januar sah nämlich auch Michael Lampel den [anderes Medium II]-Beitrag, ein Investor und Unternehmensberater aus dem Saarland, der vor allem Glücksspielanbieter zu seinen Kunden zählt, auch manches Start-up. Warum nicht mal Luftfahrt, dachte er. Über die Lufthansa hatte er sich auch schon oft geärgert. Wenn er früh genug als Berater dabei wäre, könnte eine gute Summe für ihn dabei herumkommen. Noch während der Beitrag läuft, schreibt er K. eine Nachricht. So erinnert er sich, wenn man heute mit ihm spricht.
Ein paar Tage später trafen sie sich in einem Restaurant am Flughafen in Luxemburg, Lampel kam aus London, mit dem Flugzeug, K. aus Düsseldorf, mit dem Zug. Natürlich, K. wirkte jung, faltenfrei wie aus einer Nivea-Werbung. Aber zu jung? Er habe schon viel mit Gründern zu tun gehabt, die gerade mal volljährig waren. Und welcher Teenie vom Schulhof weiß schon, wie man eine GmbH gründet und an welche Behörden man sich wenden muss, wenn eine Airline den Flugbetrieb aufnimmt? K. schien all das sehr genau zu wissen.
In Luxemburg vereinbarten die zwei ihre Zusammenarbeit, Lampel will K. beraten, Kontakte herstellen zu PR-Agenturen, zu Geschäftspartnern. Und noch am Airport, sagt Lampel, tätigte er seine erste Ausgabe: Er buchte K. einen Rückflug. Es ist die erste Ausgabe von vielen. Im Nachhinein, sagt Lampel, mag vieles naiv wirken. Aber es sei eigentlich nichts Ungewöhnliches. Man geht in Vorkasse, und mal bekommt man was raus, mal nicht, Investment per Handschlag, ein Glücksspiel halt. „Es hätte ja eine gute Geschäftsbeziehung werden können.“
Sebastian Steinbach sah den [anderes Medium II]-Beitrag ebenfalls. Jemand hatte das Video in einer Facebook-Gruppe für Flugzeug-Nerds verlinkt: Irgendwas mit einer neuen Airline in Bayern, irgendwas mit einem 18-Jährigen, Steinbach achtete zunächst nicht weiter drauf. Aber es ging ihm nicht aus dem Kopf. Also überschlug er, wie viel Geld es eigentlich braucht, um die Airline zu gründen, die Adem K. da bei [anderes Medium II] angekündigt hatte. Mehrere Hundert Millionen? Eine Milliarde? Und wie will ein 18-Jähriger an das Geld kommen?
Sebastian Steinbach betrieb damals einen Shop für Pilotenbedarf am Flughafen in Mönchengladbach, wo vor allem Privatleute mit ihren Maschinen abheben. In seiner Freizeit machte er Podcasts über Luftfahrt-Unglücke, zum Beispiel über den Absturz des Überschallflugzeugs Concorde. Wäre dieser Airline-Gründer nicht auch mal was für deinen Podcast?, sagte Steinbachs Lebenspartnerin.
Im Internet stieß Sebastian Steinbach dann auf diverse Unternehmen, die K. gegründet haben will. Unternehmen, zu denen es zwar nie einen Eintrag im deutschen Handelsregister gab, aber fast immer eine professionell aussehende Website. Und immer eine abgefahrene Geschichte.
Da ist zum Beispiel dieses Fintech-Unternehmen, das behauptet, in Kürze die weltweit erste „Debitkarte mit eingebautem Display“ auf den Markt zu bringen. Oder die Firma, die angeblich Satelliten ins All schießt, um Kryptowährungen noch dezentraler herstellen zu können. Man wolle „Milliarden von Menschen helfen, Zugang zum wertvollsten Gut dieses Planeten zu erhalten: der Freiheit“, heißt es auf der Website. 2022 will das Unternehmen bereits 12,5 Millionen Schweizer Franken Gewinn erwirtschaftet haben, auf einem entsprechenden Testat prangt das Logo der Wirtschaftsprüfer von EY, eine Fälschung, wie die Prüfungsgesellschaft auf Anfrage bestätigt.
„Der ist auch niemals 18“, sagte Steinbachs Partnerin. Sebastian Steinbach sagt heute: „Bei mir steigt immer noch jedes Mal der Blutdruck, wenn ich wieder was zu K. höre.“
Michael Lampel, der Glücksspielberater aus dem Saarland, holte eine Auskunft über seinen neuen Geschäftspartner ein, bei der Schufa, die für alle volljährigen Personen in Deutschland Daten sammelt. Zu K. gab es keinen Eintrag, Lampel dachte auch erst mal nicht weiter darüber nach, ob das andere Gründe haben könnte als K.s angeblich makellose Kreditwürdigkeit. Er wirkte ja liquide: Reich geworden durch Kryptospekulationen, seit Kurzem offenbar Besitzer einer Luxuswohnung für drei Millionen Euro in einem Frankfurter Hochhaus, anscheinend gab es schon einen Notarvertrag, Lampel will ihn bei einem der Treffen gezeigt bekommen haben.
Und auch sonst berichtete K. bei ihren Meetings immer wieder von Fortschritten. Da war der Kontakt zum Münchner Flughafen wegen der Slots, der Antrag auf ein Luftverkehrsbetreiberzeugnis beim Luftfahrtbundesamt. Und es kamen sogar schon die ersten Bewerbungen für die Stellen, die Bavarian Airlines ausgeschrieben hatte, für Kabinenpersonal etwa: negativer Drogentest, gepflegtes Erscheinungsbild, mindestens 1,60 Meter Körpergröße, so stand es in den Ausschreibungen. Piloten schickten auch schon Lebensläufe.
Alles schien zu laufen, nur beim Geld hakte es. Weil die GmbH noch nicht im Handelsregister eingetragen war, die Firma also gar nicht offiziell existierte. Deswegen könne die Firmenkreditkarte auch erst später freigeschaltet werden. So soll K. sich gegenüber Lampel entschuldigt haben.
Den ersten Schritt, einen Termin beim Notar zur Gesellschaftsgründung, hat K. jedenfalls gemacht. Nicht in München, wo die Firma ihren Sitz haben soll, sondern in Darmstadt. Dort kennt K. einen Immobilienmakler, den er am 18. Januar zum Notar schickte. Der Makler legte seinen Personalausweis vor und unterzeichnet in K.s Auftrag das Dokument. Ein Stempel kam darauf, „vorgelesen, genehmigt und unterschrieben“, Aktenzeichen Nr. 25/2023 D.
Der Notar mailte das Dokument am nächsten Tag an K. – und wies ihn darauf hin, dass die Airline erst offiziell gegründet und ins Handelsregister eingetragen werden kann, wenn auch K. unterschreibt, unter Vorlage seiner Ausweisdokumente, die seine Geschäftsfähigkeit belegen: „Ich bitte daher, Ihre Unterschrift von einem deutschen Notar oder der deutschen Botschaft beglaubigen zu lassen.“ Nur: Das passiert in den folgenden Wochen nicht.
Aber Lampel zahlte weiter. Flüge für K., Geschäftsessen. Und schließlich der teuerste Posten: ein Gipfel auf Malta, Mitte Februar, Dienstag bis Freitag. K. kündigte den Termin bei Instagram an, „Bavarian Airlines Summit 2023“, stand da, „Invite only“. Für ein gutes Dutzend Personen buchte Lampel Flüge und Hotelzimmer, PR-Beraterinnen, Geschäftspartner, alle sollten dabei sein.
Hier würde K. den bisher größten Deal eingehen. Sie trafen sich mit einem Luftfahrtunternehmen, das all das bieten konnte, was Bavarian Airlines noch fehlte: eine Fluglizenz. Und Maschinen, die es zur Verfügung stellen könnte, in den Geschäftsräumen stellte der Dienstleister sein Angebot in einer langen Präsentation dar, erinnert sich Lampel, die technischen Voraussetzungen, die Flotte. Auf dem Heckflügel könnte das Logo von Bavarian stehen, auch wenn den eigentlichen Flug die Firma aus Malta abwickelt. Virtuelle Airline nennen Brancheninsider dieses Konzept. Und K. unterschreibt. 300 000 Euro plus Steuern.
Ganz kurz, für eine Nacht, ließ sich sogar K.s Vater aus Deutschland einfliegen, einfach nur so offenbar. Er habe ihn kurz gesehen, abends beim Essen im Hotel, als die große Runde Fachgespräche über Luftfahrt führte, sagt Lampel, er habe ihn dann kurz angesprochen: „Das macht er ganz gut, Ihr Junge.“
Sebastian Steinbach, der Podcaster, verfolgte die Gründung der neuen Airline wie besessen, auch den Gipfel, den K. ausführlich bei Instagram dokumentierte: den Abflug nach Malta, ein Bild aus dem Flugzeugfenster, die schneebedeckten Alpen. Ein Bild von ihm am Flughafen in Valletta, ein Schwenk durch die Hotellobby. Die Abendtafel, langer Tisch, viele Longdrinks und lauter Menschen, die ausnahmslos sehr viel älter aussehen als die zentrale Figur: Adem K.
Kurz nach dem Gipfel widmete Steinbach seinen Podcast dann ganz der Airline-Gründung, die seiner Meinung nach nicht funktionieren kann. „Crash before Take-off?“ Zwei Tage nach dieser Folge meldete sich jemand bei Instagram mit einem weiteren Tipp: „Der war letztes Jahr mit mir Segelfliegen, und da war er erst vierzehn“, schrieb er.
Steinbach hat nur die Bilder, die K. von seinem Gründerleben im Internet postete, viele Gesichter, aber kaum Namen. Er lud die Fotos in eine Bildersuchmaschine, schließlich fand er Michael Lampel. Sie telefonierten. Lampel erzählte, dass er immer noch auf Geld warte, die Flüge und Hotels, die er für Adem K. gebucht habe, das Honorar für seine Beratungen. 8573 Euro hatte er K. bereits in Rechnung gestellt, dann noch mal 33 078 Euro. Geld kam bisher nicht, aber nach dem Vertag auf Malta sei er dann wieder optimistisch gewesen. Doch jetzt das: womöglich nicht mal 18? Sie verabreden, K. eine Falle zu stellen.
Am 28. Februar bitten Lampel und einer seiner Geschäftspartner K. in ein Hotel am Berliner Flughafen, gegenüber vom Terminal, ein vermeintliches Geschäftstreffen. Auch Steinbach buchte ein Zimmer, direkt nebenan, wo er heimlich mithörte und festhielt, was dann passierte. Die Unterhaltung in Zimmer 362 begann harmlos. K. berichtete, es habe sich jemand gemeldet, der anbiete, bei der Beschaffung von Wagniskapital zu helfen, er las die Nachricht vor, auf Englisch. Dabei sei der Herr Deutscher, Unternehmensjurist mit langjähriger Erfahrung im Finanz- und Luftfahrtbereich. Ob er darauf antworten solle, habe K. gefragt. „Ich würde noch warten“, riet Lampel.
Dann ging es um den Vertrag, den K. auf Malta unterschrieben hatte, und was eigentlich mit dem Geld sei. K. sagte, er habe die 300 000 Euro überwiesen, von seinem Schweizer Privatkonto, die Überweisung sei von der Bank in Malta zurückgehalten worden, Geldwäscheverdacht, da müsse er noch Belege nachreichen, er sei dran. Lampel sagte, er wundere sich, warum die GmbH immer noch nicht offiziell im Handelsregister vermerkt ist? Und warum K. offenbar immer noch nicht beim Notar gewesen war und für die Gründung unterschrieben hatte? „Und wenn wir jetzt schon bei dem Thema sind“, sagte Lampel, „wir haben auch Bedenken, was das Alter betrifft.“
Einen Moment war K. offenbar sprachlos. Aber dann, während Lampels Geschäftspartner noch auf ihn einredete wie auf ein ungezogenes Kind, soll K. zum Handy gegriffen haben. „Ich halte es für verhältnismäßig unfreundlich, auf dem Handy rumzutippen, während man sich miteinander unterhält“, sagte Lampels Geschäftspartner. „Ich versuch gerade, einen Notar zu finden“, soll K. geantwortet haben, für die GmbH.
Da hatten Lampel und sein Geschäftspartner K. in allen Einzelheiten dargelegt, dass er eine Straftat begangen haben könnte, dass Anzeigen folgen werden, dass sein Name nun für immer mit einem Betrug in Verbindung stünde, dass er keine Chance mehr haben würde, noch irgendein Unternehmen zu gründen. Und an K. schien alles abzuperlen, wie Lampel sagt, wie Steinbach sagt, der nebenan mithörte. Er bedauere, sagte K. zum Schluss, wenn die Geschäftsbeziehung nun enden sollte.
Als K. an dem Abend in Düsseldorf landete, hielt die in der Zwischenzeit verständigte Bundespolizei ihn fest. Lampel und sein Kollege waren davon ausgegangen, dass K. mit gefälschten Ausweisen unterwegs ist. Die Bundespolizei bestätigt die Festnahme gegenüber [dem Medium]. K. sei dabei darauf hingewiesen worden, dass ihm Straftaten zur Last gelegt werden, mehr will man wegen laufender Ermittlungen nicht sagen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen K. wegen des Verdachts auf Urkundenfälschung und Betrug.
„Dort hinten“, sagt K. jetzt, Wochen später beim Treffen am Düsseldorfer Flughafen. Da war es. Er zeigt auf ein Fenster im Terminalgebäude, oberes Stockwerk, die Dienststelle der Bundespolizei. Zwei Stunden hätten sie ihn sitzen lassen, dann hätten die Beamten seine Taschen nach falschen Dokumenten durchsucht, seine Kleidung, er habe sich komplett ausziehen müssen, „mit Unterhose“.
Aber schon ziemlich schnell lässt Adem K. diesen Ort der Schmach links liegen und schreitet weiter durch die Halle, als würde sie ihm bald gehören. Er zeigt auf eine Schalterreihe. „Wir würden dann dort hinten irgendwo die Check-ins bekommen.“ Heute noch Emirates, morgen Bavarian.
Sein neuer Geschäftspartner sitze schon im Zug aus Hannover, ein Unternehmensjurist mit langjähriger Erfahrung im Finanz- und Luftfahrtbereich, künftig an seiner Seite als neuer Chief Financial Officer bei Bavarian Airlines. Treffpunkt gleich am Hauptbahnhof, DB Lounge, als regelmäßig Geschäftsreisender habe er ja Platinstatus bei der Bahn. Er bucht per App ein Erste-Klasse-Ticket für die zehnminütige Fahrt zum Hauptbahnhof und zieht die Airpods über die Ohren.
Es gab vernichtende Schlagzeilen nach der Bloßstellung im Flughafenhotel in Berlin: „Bavarian-Airlines-Gründer ist erst 15 Jahre alt“, schrieb [anderes Medium]. „Babyface-Manager führt alle hinters Licht“, meldete [anderes Medium II]. Man kann sich nicht vorstellen, dass noch jemand Geschäfte mit K. machen will. Aber dann betritt tatsächlich ein Herr die DB Lounge, Jahrgang 1968, abgewetzte Aktentasche, schlaffer Händedruck. „Grüße Sie.“
K. klappt seinen Apple-Laptop auf, öffnet die Präsentation, die zeigt, wie Passagiere bei Bavarian Airlines ihre Flugmeilen sammeln sollen. Der Herr schaut auf den Bildschirm, nickt und fragt: „Das ganze Thema Krypto ist erst mal für die Authentifizierung und für das Loyalty-Programm?“ „Bingo“, sagt K.
Als die beiden mit ihrer Präsentation durch sind, schaut K. einen an und sagt in einem Ton, der plötzlich sehr kalt wirkt: „Sonst noch Fragen?“
Wochen nach diesem Termin meldet sich, sehr plötzlich, der angebliche neue Geschäftspartner und Finanzvorstand von Bavarian Airlines, auch er ein Mann mit nicht ganz durchsichtiger Biografie, der vor zehn Jahren kurz als Geschäftsführer bei einem fragwürdigen Immobilienfonds auftrat. „Selbstverständlich habe ich die teils kriminellen Intentionen von Herrn K. erkannt“, schreibt er in einer SMS, um sich dann am Telefon zerknirscht zu erklären: Er wolle mit der Airline nichts zu tun haben, er sei da an diesem Tag irgendwie in ein Schauspiel hineingeraten, er habe K. in der DB Lounge zum ersten Mal persönlich getroffen.
Eines, hatte K. im Terminal gescherzt, unterscheide ihn ja von dem Typen aus dem Film, mit dem er immer verglichen wird, dem Hochstapler aus „Catch Me If You Can“: Mit einer spektakulären Fluchtgeschichte könne er bislang nicht dienen. „Kommt noch, kommt noch, Teil zwei.“ Er lacht fast, eine lustige Vorstellung.
Aber im Ernst: Wer weiß.