Kann man hier noch leben?
von Andreas Babst
Neue Zürcher Zeitung vom 03.06.2023
Reportage über die Folgen des Klimawandels und der Eingriffe von Planern und Politikern entlang des Indus in Pakistan: vom Passu-Gletscher im Karakorum-Gebirge über das Taunsa-Wehr, einen Schrein in Sukkur und die heißteste Stadt des Landes, Jacobabad, das Überflutungsgebiet in Kalrai, das Indus-Delta in Thatta bis zur Mündung des Flusses im arabischen Meer nahe Karachi. Aufgrund von zu vielen Dämmen führt der Fluss außerhalb der Flutzeiten zu wenig Wasser, die Menschen verlieren ihre Lebensgrundlage und werden zu internen Vertriebenen.
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Kann man hier noch leben?
Diese Reise beginnt an einer der abgelegensten Ecken dieser Erde. Der Passu-Gletscher liegt im Norden Pakistans, im Schatten des Karakorum-Gebirges, Berge so hoch, sie schlucken den Lärm dieser Welt. Nur der Kies knirscht unter Amanullah Khans Füssen. Und dann ist da dieses Tröpfeln, wie feiner Regen. «Nicht viele Dorfbewohner waren schon hier oben. Nicht alle glauben mir, wie weit der Gletscher schon zurückgeschmolzen ist», sagt Khan. Die Tropfen fallen aus schwarz gewordenen Eiswänden, der Gletscher schmilzt, die Katastrophe kommt tröpfchenweise.
Einmal im Monat steigt Amanullah Khan, 61, von seinem Dorf hoch zum Gletscher. Gletscher und Dorf heissen gleich: Passu, wie der Berg, der über beide wacht. Die chinesische Grenze ist nur drei Autostunden entfernt. Die Wanderung zum Gletscher dauert etwas über eine Stunde und führt durch ein Jahrhundert – immer wieder hält Khan an: «Vor hundert Jahren war der Gletscher hier», «vor fünfzehn Jahren war er hier». Es gibt kein Eis mehr an den Orten, an denen Khan innehält, nur Kratzspuren im Stein, als habe sich der Gletscher auf dem Rückzug festgekrallt.
Der menschengemachte Klimawandel hat die Welt anscheinend aus dem Gleichgewicht gebracht. Nicht überall ist er gleich bedrohlich. Man kann sich kurz vorstellen, die ganze Menschheit sässe auf einer Wippe, wie man sie auf Kinderspielplätzen findet. Jene nahe am Zentrum spüren kaum, wie sich die Wippe bewegt. Jene am Rand aber werden bereits durch die Luft katapultiert.
Extreme Wetterereignisse, Hitzewellen, Starkregenfälle, nehmen zu und werden heftiger, das schreibt der Uno-Klimarat IPCC. Abhängig von geografischer Lage und Wohlstand trifft der Klimawandel die Menschen mehr oder weniger. In Pakistan trifft er sie mehr. Im Sommer 2022 erlebte Pakistan erst eine wochenlange Rekordhitze, dann strömenden Regen, der zu Fluten wurde, die einen Drittel des Landes überschwemmten. Die Bilder von zerstörten Häusern, Hütten und Ertrunkenen gingen um die Welt.
Kann man hier noch leben, der Natur ausgesetzt?
Die Tropfen, die vom Passu-Gletscher fallen, sammeln sich in Bächen. Diese münden in Flüsse und werden zu einem Strom: dem Indus. Über 1500 Kilometer reist ein Tropfen bis ans Meer, durch die Berge im Norden, durch bepflanzte Weiten, durch die kargen, staubigen Landschaften im Süden. Wenn er nicht vorher verdunstet oder versickert, reist dieser Tropfen einmal durch ganz Pakistan, bis in die Grossstadt Karachi, wo er ins Arabische Meer fliesst. Ich reise mit.
Die meisten Pakistaner leben entlang des Indus und seiner Zubringer. Der Fluss hält dieses Land zusammen, versorgt es mit Wasser, ernährt es. Wenn der Indus versiegt, verdorrt Pakistan. Es gibt keinen besseren Ort, um zu verstehen, wie das Leben der Menschen hier aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Passu: 1494 Kilometer bis Karachi
Amanullah Khan wandert, wie er spricht: kein Schritt zu viel, kein Wort zu viel, meist lächelnd. Einst wanderte er für die Wissenschaft. 22 Jahre lang sammelte er Daten für eine Nichtregierungsorganisation. Er war mit einem Farbtopf unterwegs und markierte die Steine dort, wo der Gletscher aufhörte. Im nächsten Monat mass er, wie viele Zentimeter sich das Eis bewegt hatte.
Seit zwei Jahren wandert Khan aus Neugier und für seine Nachbarn. Die Nichtregierungsorganisation hat jetzt jüngere Helfer, aber noch immer besucht er den Gletscher jeden Monat. «Ich will wissen, wie sich der Gletscher verhält», sagt Khan. Er hat die Steine neben den Gletscherbächen mit einer Skala bemalt und erkennt sofort, wenn der Bach zu viel Wasser hat für die Jahreszeit.
Wenn der Gletscher schmilzt, bilden sich im Eis Gletscherseen. Wachsen diese, brechen sie irgendwann durch ihre natürlichen Dämme und rollen als Flutwelle ins Tal. 2008 wälzte eine solche Welle durch Passu. Die Menschen hier sind dem Gletscher ausgeliefert. Passu hat heute ein Frühwarnsystem, kommt eine Gletscherwelle, heult im Dorf eine Sirene. Khan wohnt ganz unten im Dorf. Er hat dann etwa 40 Minuten Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen. Was für eine Kraft eine solche Welle hat, lässt sich ein paar Kilometer weiter, in Hassanabad, beobachten: Das Wasser hat letztes Jahr eine Brücke mitgerissen und eine Schneise ins Dorf gespült.
Der Passu-Gletscher sieht aus, als habe ihn ein Zuckerbäcker zwischen die Felsen gespritzt. 13 700 Gletscher gibt es im Karakorum, die Fläche des Gebirges ist doppelt so gross wie Europa, seine Berge sind im Durchschnitt 6500 Meter hoch. Zusammen mit dem Hindukusch und dem Himalaja bildet er einen dritten Pol: Das dritte grosse Wasserreservoir dieser Erde neben der Arktis und der Antarktis.
Khan sagt, das Wetter in Passu habe sich in den vergangenen Jahren verändert. «Die Winter sind zu warm. Der Herbst und der Frühling sind zu kalt. Und im Sommer ist es viel zu heiss.» Wenn Khan im Sommer die Aprikosen von den Bäumen holt und sie aufschneidet, findet er neuerdings Schädlinge.
Auch die Gletscher im Karakorum verhalten sich rätselhaft. Manche schrumpfen, andere aber wachsen, obwohl weltweit fast überall die Gletscher verschwinden. Glaziologen nennen es die Karakorum-Anomalie: Mehr Schneefall könnte für das Wachstum verantwortlich sein. Die Wissenschaft ist sich nicht einig, was mit der Anomalie geschieht, wenn sich die Erde weiter erwärmt. Gemäss einer vielzitierten Studie [in anderem Medium] wird der dritte Pol schrumpfen: Selbst wenn die internationale Gemeinschaft die 1,5-Grad-Marke des Pariser Klimaabkommens einhält, würde ein Drittel der hohen asiatischen Gletscher verschwinden – dazu zählt auch der Karakorum. Steigt die Temperatur um 2 oder 3 Grad, verschwindet die Hälfte.
Für die meisten Gletscher im Karakorum gibt es keine exakten Daten. Niemand weiss, wie es ihnen geht. Auf dem Passu-Gletscher hat das pakistanische Meteorologie-Departement vor ein paar Jahren eine Wetterstation aufgestellt. Die gesammelten Daten stecken gut verschlossen in einer Metallbox. Er habe noch nie jemanden gesehen, der sie abhole, sagt Amanullah Khan.
Khan ist in Passu geboren, er hat fast sein ganzes Leben hier verbracht. Die Jungen ziehen weg, weil es in den Städten mehr Arbeit gibt. Viele kommen später zurück, weil dieser Ort wild und wunderschön ist. Die Menschen in Passu pflanzen Aprikosen und Kirschen, Passu hat ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem: Das Gletscherwasser fliesst in Kanälen durchs ganze Dorf, vorbei an den selbstgebauten Steinhäusern, vorbei an den Aprikosenbäumen und ganz am Ende vorbei an Khans Haus. Es sammelt sich im eisblauen Hunza-Fluss, fliesst in den Gilgit und dann in den Indus.
Der Indus wird vor allem aus Schmelzwasser gespeist. Pakistan lebt vom Wasser, das durch Dörfer wie Passu fliesst. Wenn die Gletscher verschwinden, verdorrt das Land, ihm geht das Wasser aus.
Der Gilgit-Fluss trifft den Indus fast an dessen nördlichster Stelle. Er kommt aus dem Osten und macht hier eine Kurve nach Süden. Der Indus entspringt in Tibet, fliesst durch Indien und dann erst nach Pakistan. Hier oben im Norden rauscht und schäumt er. Den mächtigen Indus nennen sie ihn. Er frisst sich durch die Berge Richtung Meer. Alexander der Grosse ist ihn 325 vor Christus hinuntergefahren. Der Indus und seine Zubringer hatten Alexanders Feldzug nach Asien beendet: Die Soldaten waren erschöpft, sie wollten nicht noch ein weiteres Gewässer queren. Neun Monate dauerte die Reise den Indus hinunter. Alexander wollte das Ende der Welt erreichen, er erreichte nur das Ende des Indus.
Auf dem Weg in den Süden fahre ich auf dem Karakorum-Highway. Die Strasse klammert sich an steile Bergrücken, viele hundert Meter weiter unten schlängelt sich der Indus mit mir Richtung Süden. Der Fahrer fährt zu schnell und zu nah am Abgrund. Manchmal rinnt ein Wasserfall von den Felswänden auf die Strasse. Das sind gute Rastplätze.
Ich sehe, wie Dämme am Indus wachsen. Die Baustellen ähneln sich, die Schilder sind auf Chinesisch angeschrieben. Die Dämme werden mit chinesischem Geld von chinesischen Ingenieuren gebaut, sie sitzen in Warnwesten auf Steinen und rauchen. Der Indus fliesst an ihnen vorbei.
Taunsa-Wehr: 711 Kilometer bis Karachi
«Soll ich langsam sprechen?», fragt Amir Taimoor, denn wenn er von seiner Arbeit erzählt, wird es kompliziert. Taimoor, 34, ist verantwortlicher Ingenieur am Taunsa-Wehr. 19 Wehre und 3 grosse Dämme zähmen den Indus und seine Zuflüsse, weitere sind im Bau. Das Taunsa-Wehr steht in der Provinz Punjab, im Zentrum Pakistans, und sieht aus, als habe jemand dem Indus eine Zahnspange verpasst.
Taimoor dirigiert 65 Tore, diese hängen an hohen Metallstreben, jedes Tor wiegt 1000 Tonnen. Mit ihnen reguliert er den Wasserfluss: Taimoor entscheidet, wann welches wie viele Zentimeter weit geöffnet wird. Er kennt diesen Abschnitt des Indus in- und auswendig – er weiss, wo der Fluss die Sedimente aus den Bergen ablädt, er weiss, welche Abschnitte schnell fliessen und welche langsam. Wie viele Liter Wasser wann auf sein Wehr drücken. «Wenn wir viel Wasser haben, ist es einfacher», sagt Taimoor, «wenn der Fluss nicht fliesst, kann ich nicht mit dem Wasser spielen.» Kurz erinnert der glatzköpfige Ingenieur an ein Kind, das an einem heissen Sommertag im Bachbett steht und mit Steinen das Wasser staut.
Taimoors Problem ist: Er hat fast nie Wasser, um zu spielen. Ausser von Juli bis August. Dann hat er zu viel. «In der Regensaison steigt das Wasser. Aber die grösste Menge kommt von den Gletschern, die in der Hitze schmelzen.» Am Wehr steht eine Tafel, darauf sind die Wasserstände der vergangenen 65 Jahre eingezeichnet. Für die letzten zehn Jahre steht da einmal «normal» und neunmal «Flut».
Im vergangenen Sommer, als Pakistan überschwemmt wurde, lebte Taimoor drei Monate lang am Wehr. Stunde für Stunde entschied er mit seinen Mitarbeitern, welche Schleusen er öffnen muss, um zu verhindern, dass der Fluss über sein Wehr tritt. «Das Wehr hat unter meinen Füssen gezittert», erinnert sich Taimoor.
Jetzt ist April, und es zittert nichts, als wir zusammen auf dem Wehr stehen. Der Indus führt wenig Wasser. Er ist hier unten nicht mehr grün und wild wie in den Bergen, sondern braun und behäbig. Der Fluss trägt Schutt von den Bergen in den Punjab, der hier kleine Inseln formt. Öffnet Taimoor die richtige Schleuse, verändert er die Strömung, und das Wasser trägt die Inseln ab. Wenn der Schutt zu nahe ans Wehr kommt, verstopft er die Kanäle.
Die Bewässerungskanäle sind der Hauptgrund, wieso der Indus mit Dämmen und Wehren verbaut ist. Vom Fluss führen unzählige von ihnen ins Land – die britischen Kolonialherren verwandelten dank den Kanälen einst den trockenen Punjab in die Kornkammer Britisch-Indiens. Aber um die Kanäle zu speisen, muss der Indus alle paar hundert Kilometer aufgestaut werden. Fast drei Viertel des Indus-Wassers fliessen laut Regierungsdaten in Kanäle. 230 Millionen Menschen leben in Pakistan, die Bevölkerung wächst, sie braucht Wasser.
Jedes Jahr muss Taimoor bei der zuständigen Behörde die Menge Wasser beantragen, die er am Wehr blockieren und in die Kanäle leiten will. Meist erhält er weniger. Wenn die Bauern das Wasser für ihre Felder benötigen, führt der Indus zu wenig davon. Dann rationiert Taimoor: Ein Kanal erhält Wasser in der einen Woche, der nächste Kanal in der anderen. Die Bauern an den trockenen Kanälen glauben dann, Taimoor verstecke das Wasser, er habe mehr, als er gibt.
Der Indus führt immer weniger Wasser. Eigentlich sollte es mehr werden, zumindest im Moment, weil der Klimawandel die Gletscher schmelzen lässt. Aber nicht nur die Erderwärmung stört das Gleichgewicht des Indus, sondern auch die Ingenieure.
«Wir haben den Fluss aus dem Rhythmus gebracht», sagt der pakistanische Hydrologe Hassan Abbas, «das hat riesige Konsequenzen.» Mit dem Rhythmus meint Abbas: wie schnell der Fluss fliesst, wann der Wasserstand hoch ist, wo er seine Sedimente ablädt. Der Rhythmus des Flusses hat sich während Millionen von Jahren eingependelt, gestört haben ihn Planer und Politiker innert weniger Jahrzehnte. In den 1950er Jahren reiste der amerikanische Anwalt David E. Lilienthal durch Indien und Pakistan und schrieb einen Essay über den Indus, sein Fazit: Der Fluss habe genug Wasser, es werde aber ins Meer verschwendet – je mehr man am Indus baue, je besser, so werde das Wasser genutzt.
Einflussreiche Personen bei der Weltbank und in Pakistan lasen den Essay und handelten danach. Heute weiss man, dass das ein Fehler war, aber Lilienthals Fazit beherrscht die Denkweise in Südasien bis heute. «Und jetzt kommen die Probleme des Klimawandels dazu», sagt Abbas. Die Hitzewellen, die veränderten Regenfälle, die plötzlichen, schweren Fluten.
Schaut man vom Taunsa-Wehr in Richtung Süden, in Richtung der Provinz Sindh, scheint der Indus stillzustehen. Das Flussbett sollte im Durchschnitt sechs Kilometer breit sein. Aber das Wasser fliesst nur noch über wenige hundert Meter. «Der Rest ist Land geworden», sagt Taimoor, «da ist kein Fluss mehr.» Der Ingenieur lebt mit seiner Familie flussabwärts. Er, der das Wasser am Wehr oben aufhält, macht sich Sorgen, dass er den Brunnen bei seinem Haus irgendwann nicht mehr tiefer graben kann, um an Trinkwasser zu gelangen. Er befürchtet, dass dieser Fluss schwindet, dass kein Wasser übrig bleibt. Taimoor sagt: «Es wird Tag für Tag weniger.»
Sukkur: 480 Kilometer bis Karachi
Auf einer kleinen Insel, nahe der Stadt Sukkur, steht ein Gedicht eingraviert auf einer Marmorplatte, eingemauert in ein verfallenes Stück Wand. Sindhs grosser Dichter Qazi Qadan hat es im 16. Jahrhundert über den Indus geschrieben:
«Je grösser der Fluss, umso mehr Wasser fliesst darin. Manchmal schnell und manchmal langsam, diesen Unterschied gibt es oft. Von seinem Auf und Ab haben wir seine Eigenheiten gelernt. Seine geduldige Farbe ist einzigartig, alle anderen sind stumpf.»
Es ist schon fast dunkel, als der Fährmann zur Insel mit den verfallenen Mauern übersetzt. Kerzen flackern in den Mauerresten. Der Indus ist schwarz. Einst stand hier ein Schrein, eine Flut hat ihn in den fünfziger Jahren weggespült. Geblieben ist ein Podest mit Kissen unter Eukalyptusbäumen, der Thron, auf dem sich der Heilige ausruht, wenn er zu Besuch kommt.
Ein Mann kniet im Dunkeln vor dem Thron. Er sagt, er komme jeden Tag, um zu beten. Seiner Mutter sei der Heilige einst erschienen. Er beschütze Sukkur vor den Fluten.
Muslime nennen den Heiligen Khwaja Khizir, Hindus nennen ihn Jhulelal, er ist der Patron des Indus. Er erscheint Reisenden in Not. Einst segelte eine schöne Kaufmannstochter den Fluss hinunter, die ein lokaler Fürst entführen wollte. Sie betete zu Khwaja Khizir, der änderte den Verlauf des Indus, so dass das Boot der Kaufmannstochter sicher auf der kleinen Insel landete. Hindus und Muslime beteten hier einst gemeinsam. Ende des 19. Jahrhunderts bauten die Hindus ihren eigenen Schrein am Flussufer gegenüber, so schreibt es die Autorin Alice Albina in ihrem Buch «Empires of the Indus». Vorausgegangen war ein Streit darüber, wem die Insel rechtmässig gehöre. Es waren erste Friktionen zwischen den Religionen am Indus.
Die britischen Kolonialherren teilten Indien, bevor sie es verliessen. 1947 wurden aus einem Land zwei Länder: das muslimische Pakistan und das mehrheitlich hinduistische Indien. Die neue Grenze verlief über mehrere Indus-Zuflüsse. 1948, wenige Monate nach der Unabhängigkeit von Grossbritannien, stellte Indien Pakistan das erste Mal das Wasser ab. 1965, im Krieg zwischen Pakistan und Indien, soll Khwaja Khizir die Bewohner Sukkurs vor den Bomben beschützt haben, die indische Flugzeuge über den Städten am Fluss abwarfen. Der Indus erdauert die Geschichte eines getrennten Kontinents.
Hitzewellen wabern in diesen Tagen über Indien und Pakistan. In einem Bericht der Weltbank vom vergangenen Jahr heisst es: «Bald könnte Indien eines der ersten Länder der Welt werden, die Hitzewellen erleben, die nicht zu überleben sind.» Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International schrieb über die pakistanische Stadt Jacobabad, sie sei wegen der Hitze «unbewohnbar für Menschen».
Im vergangenen Jahr waren es in Jacobabad 51 Grad. Am Tag meines Besuches sind es nur 41. Jacobabad liegt nur drei Autostunden entfernt von Sukkur, ich verlasse den Indus, um eine der heissesten Städte der Welt zu besuchen.
In einem Aussenbezirk von Jacobabad lebt Mashal Ubaidullah, 37, die Klimaanlage bläst in den fensterlosen Raum und in Ubaidullahs rundes, sanftes Gesicht. Ihr Schwager hat das Kühlgerät gebraucht gekauft, halber Preis, er sagt, ohne es sei das Leben unerträglich. Zwei Brüder und eine verwitwete Schwester teilen sich das Haus, alle haben ein Zimmer. Ubaidullah ist nur Gast im Raum mit der Klimaanlage. Sie lebt mit ihrer Familie nebenan. Ihr Mann, der jüngere Bruder, fährt einen Lieferwagen. Sie können sich keine Klimaanlage leisten.
Wenn es Mitte Mai in Jacobabad heisser und heisser wird, flüchtet der ältere Bruder mit seiner Familie nach Quetta, Richtung Berge. Ubaidullah bleibt mit ihren zwei Söhnen zurück im Haus. Ihr Mann kann nicht monatelang bei der Arbeit fehlen, zudem brauchten sie Geld, um in Quetta Miete zu zahlen. Wenn sie allein sind im Haus, bläst die Klimaanlage nicht mehr – es gibt im Sommer in Jacobabad kaum Strom, in der Hitze ist das Netzwerk konstant überlastet.
Ubaidullahs Sommer dreht sich nur um eines: wie sie sich selbst und ihre Kinder kühlen kann. «Wir sitzen im Schatten. Wir kaufen Eisblöcke, pro Tag können wir uns Eis für 100 Rupien leisten», sagt Ubaidullah. 100 Rupien sind 30 Rappen, dafür gibt es einen 30 Zentimeter grossen Eisblock. Die Eishändler in Jacobabad sagen, sie verkauften jedes Jahr mehr.
Ubaidullah stellt die Kinder drei-, viermal am Tag unter die Wasserpumpe, meist dauert es, bis das Wasser etwas kühler wird. Ihre Söhne sind zwei und vier Jahre alt. Im Sommer haben sie Hautausschläge wegen der Hitze. Sie schlafen draussen unter Moskitonetzen. «Aber manchmal ist es so heiss, dann wird es unter den Netzen zu warm», sagt Ubaidullah. Sie wedelt den Kindern dann mit einem Fächer Luft zu und vertreibt die Mücken.
In Jacobabad war es schon immer sehr heiss, aber in den vergangenen Jahren haben die Temperaturen neue Rekorde erreicht. Es ist nun so heiss, dass es mit jeden Grad gefährlicher wird. Wissenschafter messen die sogenannte Wet-Bulb-Temperatur, eine Kombination aus Hitze und Luftfeuchtigkeit: In Jacobabad war diese Kombination seit 2010 mindestens zweimal so extrem, dass selbst ein ruhender Mensch die Körperwärme nicht mehr mittels Schwitzen abführen konnte. Das ist lebensgefährlich. Schon vorher sind Hitzschlag, Nieren- und Hirnschäden wahrscheinlich.
Ubaidullah hat oft Kopfschmerzen, wenn es heiss ist. Sie leidet unter hohem Blutdruck und hatte bereits eine Fehlgeburt. Sie sagt, sie sei im Sommer oft verwirrt, ihr Hirn funktioniere nicht mehr. «Die Hitze macht mich krank.»
Kalrai: 259 Kilometer bis Karachi
Am Morgen gehört der Indus den Büffeln und den Frühaufstehern. Ich bin im Dadu-Distrikt, im Süden der Provinz Sindh. Reisen entlang des Indus bedeutet, viel im Auto zu sitzen, vom Rücksitz hinauszustarren in die Hitze und dann an der Tankstelle neue Datteln zu kaufen. Es heisst, Teile der Reise durch Sindh einer übereifrigen Polizeieskorte hinterherzufahren, mehrmals habe ich abgelehnt und sie dann doch bekommen, und ich frage mich, ob die Männer mit den dicken Bäuchen in diesem verbeulten Jeep mich schützen sollen oder überwachen – für diese Reise brauchte ich Sonderbewilligungen der Regierung.
Auf der Weltkarte ist der Indus hier im Süden Sindhs ein dicker blauer Strich. Tatsächlich gibt es im Flussbett nur Tümpel. Hirten treiben an diesem Morgen ihre Büffel hinein. Ein Fischerjunge erzählt, wie die Kinder im Dorf schwimmen lernen: Sie füllen ihre weiten Trachtenhosen mit Luft, binden sie an den Knöcheln zu und schweben mit den Luftkissen-Hosen übers Wasser. Der Fischerjunge taucht und macht einen Handstand. Das Indus-Wasser glänzt silbern.
Im Sommer wird der Indus anschwellen, die Tümpel werden wieder zu einem Fluss. Doch im vergangenen Jahr hörte er nicht mehr auf anzuschwellen. In der Provinz Sindh war die Regenmenge achtmal höher als normal. Regen- und Flusswasser überschwemmten den Distrikt Dadu. Auf den Satellitenbildern von damals ist kein dicker blauer Strich mehr zu sehen. Das Blau hat das ganze Land geschluckt.
Als das Wasser kam, glaubte Heer Munir Chandio erst, dass sie ausharren könne. Viele Wochen lang hat sie mit ihrer Familie die Regenfälle erduldet. Sie sind erst geflüchtet, als es zu spät war, als im Dorf Kalrai bereits Panik herrschte. «Unser Haus stand noch. Aber überall war Wasser», sagt Chandio. Zwei Meter hoch.
Chandio und ihr Mann packten die sechs Kinder und das Allernötigste auf einen Traktoranhänger. Kleider, Kochtöpfe, die Charpais, ihre geflochtenen Betten. Zurück blieb eine farbige Truhe. Jahrelang hatte Chandio Geld und schöne Stoffe als Mitgift für ihre Tochter in der Kiste gespart. Die Flut hat sie weggespült. Drei Monate später kehrte Chandio ins Dorf zurück. Das Wasser stand noch immer fast einen Meter hoch, die Rückkehrer lebten in der Schule. Erst Anfang Jahr ist das Wasser abgeflossen. «Unser Haus war zerstört. Überall gab es Schlangen. Alles war weg, nur ein paar Steine und Eisenstangen waren noch da», sagt Chandio.
Sie sitzt unter einer Zeltplane mit dem Logo einer Hilfsorganisation. Chandio ist 35 Jahre alt. Auf ihrem Schoss rutscht ihr jüngster Sohn Yamin herum. Er lutscht an einer Barbie ohne Beine. Chandios Zelt steht dort, wo einst ihr Haus war. Es ist heiss unter der Plane, nur die drei Charpais haben Platz. Man kann sich nicht aufrichten, die Familie lebt im Gebückten. Chandio streckt den Rücken durch, sie erzählt ihre Geschichte mit Wut in der Stimme.
«Wir wollen das Haus wieder aufbauen, aber wir haben kein Geld», sagt Chandio. Ihr Mann verlässt das Zelt frühmorgens, er arbeitet als Erntehelfer, der Lohn reicht nur für Essen. Sechzig Familien leben im Dorf, fast allen geht es ähnlich wie Chandio. Sie sitzen unter Zeltplanen oder improvisierten Unterständen, umgeben von sauber aufgeschichteten Backsteinen, die einst ihre Häuser waren. Die Provinz Sindh kennt noch immer eine Art Feudalsystem. Kleinbauern dürfen bei einem Landbesitzer ein paar Quadratmeter bewirtschaften – meist müssen sie viel zu viel abgeben und sind beim Landbesitzer hoch verschuldet. Die Menschen in diesem Dorf haben kein Erspartes, um ihre Häuser wieder aufzubauen. Viele haben bereits ihr Vieh verkauft. Als sie zurückkehrten, erhielten sie Geld von Hilfsorganisationen und von der pakistanischen Regierung. Seither kam niemand mehr vorbei. Chandio und ihre Nachbarn fühlen sich alleingelassen.
Anfang Jahr fand in Genf eine Geberkonferenz für Pakistan statt. Die pakistanische Regierung sammelte 10 Milliarden Dollar. Das Geld soll den Wiederaufbau nach den Überflutungen finanzieren und die Folgen des Klimawandels abfedern. Die pakistanische Regierung findet: Die Industrieländer haben den Klimawandel verursacht, sie sollen nun bezahlen – an jene Länder, in denen der Klimawandel bereits katastrophale Folgen hat.
Die Monsunwinde blasen vom Meer her auf den indischen Subkontinent zu. Erwärmt sich die Erde, nimmt der Monsun mehr Feuchtigkeit vom Meer auf. «Als Resultat der Treibhausgasemissionen wird aus nass nasser», schreibt der Harvard-Historiker Sunil Amrith in seinem Buch «Unruly Waters». Auch lokale Luftverschmutzung dürfte den Monsun beeinflussen, die Abgase aus Pakistans und Indiens überfüllten Grossstädten und die offene Müllverbrennung. Der Monsun kommt jetzt manchmal früher und manchmal viel später als erwartet. Die Wissenschafter haben den Monsun noch nicht entschlüsselt. Anders als der globale Temperaturanstieg sei er schwer in Modelle zu fassen, schreibt Amrith.
Von den 10 Milliarden Dollar, die Pakistan in Genf gesammelt hat, ist bisher kaum etwas ins Land geflossen. Die grossen internationalen Entwicklungsbanken schicken vorerst kein Geld. Pakistan gilt in der internationalen Gemeinschaft als wenig vertrauenswürdig. Die Regierung ist mit sich selbst beschäftigt, eine politische Krise jagt die andere, dem Land droht der Staatsbankrott, und die Korruption ist hoch.
Chandio, ihre Nachbarn und viele andere Opfer der Flut warten seit Monaten vergeblich auf Hilfe. «Manchmal wache ich in der Nacht auf und weine. In meinen Träumen sehe ich, wie das Wasser kommt», sagt sie. Bereits 2010 musste sie vor einer Flut fliehen. Und alle im Dorf fürchten die nächste. Ein junger Mann will auf Facebook gesehen haben, dass Meteorologen für den Sommer 2023 wieder Hochwasser angekündigt haben. Er findet das Video nicht mehr, aber es hat ihm Angst gemacht. Auch er träumt manchmal vom Wasser.
Ich finde keine solche Hochwasser-Warnung von Meteorologen. Sicher ist: Im Sommer kommt der Monsun. Er wird auf Zelte und Unterstände fallen.
Thatta: 95 Kilometer bis Karachi
Wo der Fluss sich verliert, sich verzettelt in unzählige kleine Ströme, die ins Meer fliessen, da ist er in seinem Delta angekommen. Das Indus-Delta beginnt nicht weit von der Stadt Thatta. Ich bin fast am Ende des Flusses, als ich Muhammad Harif Mullah treffe. «Seit ich die Augen aufgemacht habe, fische ich», sagt er. Seine Zehennägel sind spröde, die Füsse rissig vom jahrelangen Barfusslaufen auf Holzplanken. Mullah sagt, er sei 27 Jahre alt, aber wahrscheinlich ist er älter, auf seiner breiten Brust spriessen graue Haare. Die Sonne brennt auf sein kleines Boot, und es ist, als habe sie alles gebleicht, die Landschaft am Ufer, die Farbe am Boot, die Haare auf Mullahs Brust.
«Das Fischen läuft nicht gut», sagt Mullah. Seit acht Uhr morgens ist er auf dem Boot, jetzt ist Nachmittag, und auf den Holzplanken liegen nur zwölf kleine Fische und Krabben. Die Fische seien über die Jahre immer weniger geworden, sagt Mullah. Es fliesst so wenig Wasser hinunter ins Indus-Delta. Das Meerwasser drängt flussaufwärts. Die Süsswasserfische überleben nicht mehr. Der Indus schmeckt im Delta salzig.
Mullahs Boot hat ein Leck. Ein zweiter Fischer schöpft mit einem Plastikbecher Wasser, während Mullah es über den Fluss steuert. Die Fischer schaukeln mit ihren Booten den Indus hinunter, mehrere Tage, bis fast ans Meer. Sie schlafen im Boot und kochen auf Treibholz. Mullah sagt, er überlege, das Fischen aufzugeben, vielleicht einen Bauchladen mit Früchten zu betreiben und wie so viele andere an der Landstrasse zu stehen. Früher hätten sie Palla gefangen, sagt Mullah, den besten Fisch im Indus, silbern und einen halben Arm lang. Je höher der Palla den Fluss hochschwamm, umso besser das Fleisch – der Legende nach wurden die Schuppen erst silbrig, wenn der Fisch bis nach Sukkur geschwommen war, zum Schrein von Khwaja Khizir.
Heute schwimmt der Palla nicht mehr zum Schrein. Es gibt zu viele Wehre und Dämme. Experten sagen, dass man den Indus frei fliessen lassen sollte, um ihn zu retten. Stattdessen wird er immer weiter gezähmt. Pakistan braucht dringend Geld, das Land hat ein Handelsbilanzdefizit, es importiert mehr, als es exportiert. Grossprojekte wie Dämme, finanziert vom Ausland, sind ein guter Weg, Devisen ins Land zu holen.
Die Fischer am Indus spannen ihre Netze jetzt vor den Wehren. Sie warten auf ihren Booten, bis die Ingenieure eine Schleuse öffnen und die Fische durchrutschen. Wenn es im Winter im Delta fast kein Wasser mehr gibt, verlässt Mullah sein Dorf. Er fährt ans Meer und heuert auf den grossen Fischerbooten an. «Auf dem Meer verdienst du fünfmal mehr als hier», sagt Mullah. Aber die Arbeit sei gefährlich. «Es besteht ständig die Gefahr zu kentern.» Immer wieder würden Fischer nicht in ihre Dörfer am Flussufer zurückkehren. Vor zwei Jahren geriet Mullah auf dem Meer in einen Sturm, der Motor funktionierte nicht mehr, das Boot schaukelte gefährlich, nur Gott habe ihn gerettet.
Vielleicht lebt niemand so sehr im Gleichgewicht mit dem Indus wie seine Fischer. Mullah sagt: «Der Fluss gibt mir und nimmt mir. Wenn er mir ein Auskommen liefert, sorgt er für mich. Wenn nicht, bringt er mir Not.»
Was passiert, wenn Mullah irgendwann gar keine Fische mehr fängt? Wenn Teile dieses Planeten unbewohnbar werden – was passiert dann mit den Menschen, die eigentlich dort leben?
Karachi
Diese Reise endet in Karachi, weil hier auch der Indus endet, er erreicht vor den Toren der Stadt das Arabische Meer. Ein Tropfen, der vom Gletscher in den Indus fliesst, braucht ungefähr eine Woche für die Reise an die Küste, wenn er denn ankommt.
Karachi ist eng, dreckig und voll. Vor 75 Jahren hatte Karachi 500 000 Einwohner, jetzt sind es dreissig Mal so viel: über 15 Millionen. Die Familie Jiskani lebt in einem unverputzten Haus am Stadtrand. Wie Tausende andere Flüchtlinge haben auch sie die Fluten nach Karachi geschwemmt.
Die Jiskanis lebten bis zum vergangenen Sommer in Sehwan in der Mitte der Provinz Sindh. In einem Dorf mit weiten Feldern, Bäumen, unter denen man sitzen und einen Schwatz halten konnte. «Ich hatte einen Gemüsestand», sagt Mansoor Hussein Jiskani, der Vater, «heute lade ich Reifen von Lastwagen.» Wenn er denn Arbeit findet als Tagelöhner, die Stadt ist voll mit Flüchtlingen. Er ist 40 Jahre alt, ein schwerer Mann, auf dem Boden sitzend, und als trage er einen Magneten in sich, hat sich die Familie ganz nahe um ihn versammelt.
Jiskani kann seine sechs Kinder nicht zur Schule schicken in Karachi. In sein Heimatdorf zurückkehren will er trotzdem nicht. Die Fluten haben das Haus weggespült. Verwandte haben ihm Videos geschickt – es lohne sich nicht, heimzugehen. Jiskani träumt davon, Pakistan zu verlassen. Er möchte im Ausland Arbeit finden und Geld verdienen. Aber er wird wahrscheinlich nie aufbrechen. Auswandern ist zu teuer für ihn.
Spricht man im Westen über Migration, meinen wir meist Menschen, die über Grenzen flüchten. Aber die meisten Flüchtlinge bewegen sich innerhalb ihres Landes. Interne Vertriebene heissen sie. Die Weltbank schätzt, dass in den nächsten dreissig Jahren wegen des Klimawandels allein in Südasien 40 Millionen Menschen zu internen Vertriebenen werden. Auf der ganzen Welt werden es 143 Millionen sein.
Bis zum Ende des Jahrhunderts werden jährlich 98 000 Menschen zusätzlich wegen des Klimawandels Asyl in der EU suchen, das prognostizieren Forscher [in anderem Medium II]. Wird es noch heisser, werden es mehr. Klimaflüchtlinge sind derzeit von der Genfer Konvention nicht erfasst. Klimawandel ist kein Asylgrund.
Das Dorf der Familie Jiskani lag nicht weit entfernt vom Indus. Der Vater fuhr manchmal ans Wasser. Seine Frau scherzt, er habe versucht, dort ein paar Fische zu fangen. Durch das Dorf selber floss ein kleiner Kanal. In Karachi kommt das Wasser aus dem Tankwagen, der einmal pro Woche durch die Nachbarschaft fährt. Er füllt die Wasserspeicher, die sich in den Böden der Häuser unter Plastikklappen verbergen. «Wenn wir unser Haus daheim nicht wieder aufbauen können, werden wir hierbleiben für die nächsten Jahre», sagt Jiskani.
Im Nachbarhaus ist eine Abwasserleitung geplatzt. Das Wasser hat vor der Haustür der Jiskanis eine Lache gebildet. Ein Rinnsal fliesst durch die Reifenspuren an den unverputzten Häusern vorbei. Es bahnt sich seinen Weg, wie ein kleiner Fluss. Sein Wasser ist giftgrün.