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Isch over

von Jan Schmidbauer und Christina Kunkel
Süddeutsche Zeitung vom 08.11.2022

Der Artikel beschäftigt sich am Beispiel der prestigeträchtigen Mercedes-Tochter AMG mit dem kommenden Ende des Verbrennungsmotors. Der Bau eines Motors durch den Mechaniker Luca Profetto wird mit Exkursen in Unternehmensgeschichte und -image, dem politischen Verbotsprozess und möglichen Konsequenzen für die deutsche Autoindustrie illustriert.

Sie sehen hier den reinen Text in der anonymisierten Form für die Jury. Bilder, Layout oder multimediale Umsetzung sind beim Deutschen Journalistenpreis kein Bewertungskriterium. Allein das Wort zählt.

Isch over

Noch vier Stunden, dann wird M139L zum Leben erwachen. Nockenwellen werden gegen Ventile drücken, Kolben hoch- und runterfahren. 6,4 Liter Motoröl werden die beweglichen Teile schmieren, die Steuerkette, den Turbo lader und die mächtige Kurbelwelle, die die Bewegungen der Maschine in das umwandeln soll, wofür die deutsche Auto-industrie berühmt ist: Leistung. Bis zu 476 PS, 545 Newtonmeter Drehmoment. Oder wie sie hier beim Sportwagenhersteller AMG sagen: M139L, der stärkste Serien-Vierzylinder der Welt.
Es ist Montagmorgen, halb neun, als der Kfz-Mechaniker Luca Profetto mit der Montage beginnt. Er steht in einer Fabrikhalle, schnappt sich einen Werkzeugkran und befestigt ihn an einem Metallteil. Nicht viel größer als eine Bierkiste ist der Aluminiumblock, den er jetzt durch die Halle schweben lässt wie ein kleines Raumschiff. Er setzt ihn ab, zieht ein paar Schrauben fest. Klack, macht es, klack. Dann hängt das Kurbelgehäuse auf seinem Montagewagen.
Vor Luca Profetto liegt jetzt der Aluminiumblock, es sieht fast so aus, als würde er ihn mit seinen großen Händen streicheln. In den nächsten Stunden wird der Block zu einer mächtigen Maschine heranwachsen. Steuergeräte, Schwungscheiben und Zündkabel wird Luca Profetto um ihn herummontieren. Pumpen, Zahnräder und Kompressoren, Bolzen und Schrauben, immer wieder Schrauben. Bis auf seinem Montagewagen die moderne Version einer alten Maschine hängen wird. Einer Maschine, die das Leben der Menschen so sehr verändert hat wie nach ihr vielleicht nur das iPhone. Einer Maschine, an der Hunderttausende Jobs in Deutschland hängen. Einer Maschine, die sterben soll.
Zwölf Jahre noch, dann ist Schluss mit dem Verbrennungsmotor. Dann dürfen in Europa keine Neuwagen mehr verkauft werden, die Kohlendioxid ausstoßen. So hat es die EU vor zwei Wochen beschlossen, rechtzeitig zur UN-Klimakonferenz, die jetzt in Ägypten läuft. Erderwärmung, Luftverschmutzung, Energiekrise. Der Verbrenner ist im Jahr 2022 vor allem: ein Problem. Nicht nur für die Umwelt. Sondern auch für ein Land, das an ihm hängt wie ein Kettenraucher an der Kippe.
Mag ja sein, dass die deutschen Autohersteller mittlerweile im Wochentakt Elektroautos auf den Markt bringen. Mag sein, dass die Maschine, an der Luca Profetto herumschraubt, ein Auslaufmodell ist. Dieses Auslaufmodell ist aber immer noch ein wichtiger Antrieb des deutschen Wohlstands, Statussymbol für Millionen, so identitätsstiftend für dieses Land wie Neuschwanstein und Sauerkraut zusammen.
Mercedes hat von Januar bis September 1,5 Millionen Autos verkauft, 94 Prozent hatten einen Verbrennungsmotor. VW sieht sich als Vorreiter bei E-Autos, investiert Milliarden, verkauft aber ebenfalls 94 Prozent seiner Autos mit Benzin- und Dieselmotoren. Kein Wunder, dass man bei deutschen Autos immer noch an Zylinder und Auspuffrohre denkt. Und bei Elektroautos? Denken viele wohl eher an eine amerikanische Firma namens Tesla, die an der Börse fast dreimal so viel wert ist wie VW, Mercedes und BMW zusammen.
Was wird da eigentlich verschwinden? Und was heißt das für ein Land und sein Selbstverständnis? Für einen Mechaniker und seinen Arbeitsplatz? Am besten, man fängt ganz vorne an.
Bevor Luca Profetto die Teile an das Kurbelgehäuse montieren kann, braucht der Motor aus der Familie M139L jetzt erst mal einen Namen. Profetto steht an der ersten von siebzehn Stationen und hält einen Armaturenträger über den Aluminiumblock, mit einer kleinen Spitze, die jetzt den Namen des Motors in das Kurbelgehäuse prägen wird. Langsam frisst sie sich durchs Metall, bis eine Nummer zu sehen ist: 139 580 6000 7623. Eines Tages wird dieser Motor in einem Roadster vom Typ SL 43 stecken und ihn auf bis zu 275 Kilometer in der Stunde beschleunigen.
Das Auto wurde in Deutschland erfunden. Und sein Herz, der Verbrennungsmotor, wurde hier so akribisch weiterentwickelt wie an keinem anderen Ort. Oft mit Ingenieurskunst, manchmal mit krimineller Energie, wie bei VW und seinen Dieselmotoren. „Ganz ohne Bescheißen“, war später in E-Mails zu lesen, waren die Ziele aus Sicht der Techniker nicht mehr zu erreichen, immer weniger Stickoxide, weniger Harnstoffverbrauch.
Jahrzehntelang ging es vor allem um mehr. Mehr Hubraum, mehr Leistung, mehr Geschwindigkeit, mehr Ventile. Und natürlich mehr Laufruhe. Das ging so weit, dass Autotester im Fernsehen ein Fünf-Mark-Stück auf den laufenden Motor stellten. Blieb es stehen, war alles gesagt. Die deutsche Autoindustrie hatte mal wieder geliefert, noch mehr rausgeholt aus der alten Maschine. Letztlich machen sie das ja heute noch an Orten wie diesem: Affalterbach bei Stuttgart, offizieller Hauptsitz der Mercedes-Tochter AMG. Inoffizieller Hauptsitz des Motorenkults.
One man, one engine, heißt das Versprechen dieser Firma. Ein Mann, ein Motor. Gangsterrapper prahlen mit diesen Autos. Fußballprofis fahren sie heimlich, wenn der Verein, für den sie spielen, von einer anderen Automarke gesponsert wird.
Reiche auf der ganzen Welt geben 100 000 Euro und mehr dafür aus. Ein Mann, ein Motor, das bedeutet: Bei AMG wird jeder Motor von einem Mechaniker zusammengebaut, von der ersten bis zur letzten Schraube. Beziehungsweise bis zur letzten Plakette. Denn ganz am Ende wird auf dem Vierzylinder ein viereckiges Stück Metall mit der Unterschrift seines Mechanikers kleben. „Handcrafted by Luca Profetto. Mercedes-AMG Germany“.
Luca Profetto steht mit seinem Namen dafür, dass diese Maschine bringt, was der Käufer von ihr erwartet: kräftiges Drehmoment, röhrenden Sound, Leistung in allen Lebenslagen. Bisher hat sich keiner beschwert, sagt er. Im Gegenteil. Kommt immer wieder mal vor, dass die Kunden seinen Namen googeln und ihm schreiben: „Geilen Job gemacht.“ Es waren auch schon Leute hier, die den Typen kennenlernen wollten, der auf ihrem Motorblock unterschrieben hat wie ein Maler auf einem Gemälde. Er grinst, streicht sich durch seinen Vollbart. Klar ist er stolz. Er ist hier im Olymp des Motorenbaus, einer von 250 Mitarbeitern in einer weltberühmten Manufaktur. Drei Monteurinnen gibt es übrigens auch. Gegendert wird bislang aber nicht.
Luca Profetto holt jetzt die nächsten Komponenten aus dem Regal: die Kolben. Vier Teile aus geschmiedetem Aluminium, alle mit einem QR-Code versehen. Er scannt sie ab. Falls der Motor später Probleme machen sollte, wissen sie hier, von welchem Zulieferer und aus welcher Charge die Teile waren. Auch die Motorenmanufaktur von AMG wird längst von Computern beherrscht, von Displays und Sensoren. Wenn Luca Profetto gleich mit seinem Montagewagen zur nächsten Station fährt, rollt ein Schrank mit den Einzelteilen für seinen Motor automatisch hinterher.
Bevor er die Kolben in den Motorblock gleiten lässt, gibt er ein paar Tropfen Öl auf die Laufflächen der Zylinder. „Damit’s a bissle flutscht“, sagt Luca Profetto. Er macht das so vorsichtig, als würde er ein Rindercarpaccio mit Olivenöl beträufeln. Luca Profetto schraubt schon sein halbes Leben an Autos rum. PS-technisch hat er ein paar Regalreihen weiter unten angefangen. Bei einem Citroën-Händler ging er in die Lehre. Sechzehn Jahre blieb er dort, reparierte, was es zu reparieren gab. Aber es gab immer weniger zu reparieren. Einen kaputten Auspuff kann man schweißen, ein kaputtes Motorsteuergerät voller Halbleiter oft nur noch wegschmeißen. Das war einer der Gründe, warum er sich vor sieben Jahren einen neuen Job gesucht hat, sagt er. Der Verbrennungsmotor war komplexer geworden, voller Elektronik. Statt Teile zu reparieren, konnte Luca Profetto sie oft nur noch austauschen. Also dachte er: Bau ich lieber gleich was Eigenes. Hochleistungsmotoren bei AMG. „Was uns verbindet, ist der AMG“, heißt es in einem Text des Rappers Fler. „Das ist ein AMG, alles easy. Ich steig’ aus, Baldessarini“, rappt sein Kollege Kay One.
Angefangen hat die Geschichte der Firma nicht mit Luxusklamotten und Goldkettchen, sondern mit zwei deutschen Ingenieuren, die in den Sechzigern in der Entwicklungsabteilung von Mercedes arbeiteten: Hans Werner Aufrecht und Erhard Melcher. Schwäbische Tüftler, die daheim in Aufrechts Doppelgarage in Großaspach weiter tüftelten, als Mercedes kein Geld mehr in den Motorsport steckte. 1967 gründeten sie das „Aufrecht Melcher Großaspach Ingenieurbüro, Konstruktion und Versuch zur Entwicklung von Rennmotoren“.
„AMG bedeutet: An mich glauben“, rappt Kool Savas, was nicht ganz stimmt. AMG bedeutet: Aufrecht, Melcher, Großaspach. Berühmt wurde die Firma 1971 bei einem 24-Stunden-Rennen in Spa, bei dem ein schwerer roter Mercedes fast alle leichteren Rennwagen im Feld deklassierte. „Rote Sau“ nannten die Leute später die Limousine mit dem Wurzelholz-Interieur, deren Motor Aufrecht und Melcher so getunt hatten, dass sie auf der Geraden 265 lief. Selbst [anderes TV-Medium] berichtete, der Name AMG ging um die Welt. 1976 zog die Firma ein paar Dörfer weiter, nach Affalterbach. AMG wuchs, so wie die Leistung der Motoren, die sie hier bauten. 1999 verkauften Aufrecht und Melcher die Mehrheit des Unternehmens an den Daimler-Konzern. Heute arbeiten 2000 Leute für Mercedes-AMG, entwickeln eigene Sportwagen und die Motoren für die stärksten Mercedes-Modelle. Autos wie den Roadster SL 43, der von einem M139L angetrieben wird, einem Benziner. Preis: mindestens 118 000 Euro. 381 PS aus zwei Litern Hubraum, in der Spitzenvariante sogar 476 PS.
So was soll jetzt ein Auslaufmodell sein? Für die Ingenieure, die solche Motoren entwickeln, muss das wie Hohn klingen. Vom Grundprinzip funktioniert so ein M139L zwar wie der Motor im Benz-Patent-Motorwagen von 1886, mit Funken, die ein Gemisch aus Luft und Benzin zum Explodieren bringen und damit eine Maschine antreiben. Getan hat sich aber schon etwas in 136 Jahren Automobilgeschichte. Das erste Auto brauchte mit seinen 0,75 PS ungefähr zehn Liter Leichtbenzin auf hundert Kilometern. Der Motor, den Luca Profetto zusammenschraubt, hat fünfhundert Mal so viel Leistung. Und wenn sich der Fahrer später zusammenreißt, kommt er mit weniger Benzin aus als Carl Benz auf seinem Dreirad.
M139L ist eine Hochleistungsmaschine. Viel effizienter als die brüllenden Achtzylinder, die AMG in der Halle nebenan baut, weil die Kunden sie immer noch wollen. So viele wie noch nie übrigens. Der M139L ist die Antwort eines Motorenherstellers auf die immer strengeren Abgasnormen, die aus Brüssel gekommen sind, auch wenn die Autoindustrie sich meist massiv und oft erfolgreich dagegen gewehrt hat. Sogar eine Hybridversion gibt es, verbaut in einer C-Klasse. Ein Leistungsmonster mit 680 PS. Die Sache ist nur: Die Maschine kommt mit der Batterie, die auf Leistung und nicht auf Reichweite ausgelegt ist, nur dreizehn Kilometer weit. Dann verbraucht sie Benzin, bläst CO2 in die Luft. Auch sie wird von 2035 an wohl verboten sein, eine Machina non grata, eine unerwünschte Maschine. Es läuft gerade ein Countdown, und zwar für eine ganze Branche.
Es müssen ja nicht nur VW, BMW und Mercedes vom Verbrenner loskommen. Da sind auch Hunderte Zulieferer, für die der Umstieg auf das Elektroauto schwieriger werden könnte als für die Konzerne mit ihren Multimilliardenumsätzen. Firmen wie Eberspächer aus Esslingen zum Beispiel, führend in der Abgastechnik, mit der das Unternehmen 90 Prozent seiner Erlöse macht. Aber ein Elektroauto braucht keine Abgasanlage, keine Zylinder, keine Kolben. Ein moderner Verbrennungsmotor besteht aus ungefähr 1000 Teilen, ein Elektroantrieb aus 200. Für Deutschland ist das erst mal ein Problem.
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat vor einem Jahr untersucht, wie sehr Deutschland an dieser Maschine hängt. Die Ökonomen identifizierten 118 Landkreise, die besonders von der Autoindustrie geprägt sind. In 40 davon hängen die Arbeitsplätze maßgeblich am Verbrenner. Was mit diesen Arbeitsplätzen passiert, dazu gibt es verschiedene Einschätzungen. Der europäische Autozuliefererverband schätzt, dass 275 000 Stellen bis 2040 verschwinden werden. Der Thinktank Agora und die Unternehmensberatung BCG gehen allerdings davon aus, dass der Umstieg auf das E-Auto sogar zusätzliche Arbeitsplätze schaffen könnte. Fest steht nur: Wenn es keine Verbrenner mehr gibt, gibt es auch Jobs wie den von Luca Profetto nicht mehr.
Die Maschine auf seinem Montage wagen ist mittlerweile gewachsen. Er hat die Kurbelwelle eingebaut, die Ausgleichswellen, die den Motor ruhiger laufen lassen werden. Er hat den Zylinderkopf montiert und die ersten Prüfstände hinter sich gelassen, auf denen zum Beispiel gemessen wird, ob der Motor dicht ist. Dann war Luca Profetto noch schnell eine rauchen. E-Zigarette.
Auf der Straße ist er noch nicht elektrisch unterwegs. Er fährt einen Škoda Octavia Diesel, sagt Luca Profetto jetzt auf dem Weg von Station 7 zu Station 8. Einen AMG kann er sich nicht leisten, aber er ist natürlich schon mal einen gefahren. Das erste Mal 2017, das weiß er noch, einen AMG GT. Einen flachen Sportwagen mit einem V8. Und? „Geil“, sagt Profetto. Die Beschleunigung, der Sound. „Es ist schon cool, wenn der Auspuff knallt“, sagt er.
Mit Elektroautos hat er sich noch nicht so richtig angefreundet, was allerdings nichts damit zu tun hat, dass Elektroautos keinen Auspuff haben, der knallen könnte. Ihn stören eher die kurzen Reichweiten, die langen Ladezeiten. Und er ist ja nicht der Einzige, den das verunsichert. „So einen Plug-in-Hybrid würde ich fahren“, sagt Luca Profetto, einen Verbrenner mit zusätzlichem Elektromotor. Aber auch die wird es nicht mehr geben, wenn das EU-Gesetz 2035 in Kraft tritt.
Nur ein klitzekleines Hintertürchen ist geblieben für die alte Maschine. Die EU-Kommission soll noch einmal prüfen, ob Verbrenner mit sogenannten E-Fuels erlaubt sein könnten, also mit synthetischen Kraftstoffen, die mit Strom produziert werden. Darauf hatte vor allem Deutschland gedrungen, beziehungsweise: die FDP mit Bundesfinanzminister und Porsche-Fahrer Christian Lindner. Für viele 911er-Fahrer ist das ja immer noch unvorstellbar, Sechszylinder-Boxer-Sound, der vom Computer generiert wird. Falls es gelingt, E-Fuels klimaneutral herzustellen, wäre das eine lebensverlängernde Maßnahme für den Verbrenner, hoffen manche Automanager, auch wenn die Herstellung dieser Kraftstoffe aufwendig ist. Ein teurer Kompromiss.
Und wenn Philipp Schiemer erzählt, wie er AMG in die Zukunft führen will, klingt es eher nicht so, als wolle er sich lange mit Kompromissen aufhalten. Schiemer ist seit zwei Jahren Geschäftsführer von AMG. In seinem Büro hängt noch nicht viel, außer einem Poster vom Formel-1-Grand-Prix in São Paolo. Schiemer war lange für Mercedes in Brasilien. Vorher war er mal Vertriebsleiter bei Smart, der Kleinwagen-Marke von Mercedes.
Jetzt soll er eine Marke in die Zukunft führen, die für 400 PS und mehr steht. „Für uns ist das natürlich eine ganz besondere Herausforderung“, sagt er. Philipp Schiemer weiß ja selbst, wofür AMG da draußen berühmt ist, für den V8, für Sound, für schwäbische Ingenieurskunst. „Das ist so“, sagt er, was bei ihm eher nach des isch so klingt. Dabei tüfteln sie hier drinnen längst daran, wie man mehr Kraft aus Batterien rausholt, wie man sie schneller aufladen kann. Auch wenn es seit Kurzem Elektroautos gibt, auf denen AMG steht.
Der Konzern hat sich mittlerweile festgelegt. Von 2025 an sollen bei Mercedes keine neuen Verbrennungsmotoren mehr entwickelt werden. Wobei die Frage bleibt, was das für die Marke AMG bedeutet. One man, one engine, schon der Slogan ist damit ja tot. Diskutieren sie natürlich drüber, sagt Philipp Schiemer. Er sagt auch, dass es et was Neues geben wird. Aber was, das weiß er noch nicht. Nur so viel: „One man, one battery wird’s mit Sicherheit nicht sein.“
Sie müssen hier in Affalterbach einen Spagat schaffen. Sie müssen loskommen von der Maschine, mit der sie immer noch sehr viel Geld verdienen. Und gleichzeitig aufholen bei einer Technologie, in der andere weiter sind. Und natürlich wollen auch seine 2000 Mitarbeiter wissen, wie das funktionieren kann. „Wir werden immer mehr von einer reinen Hardware-Firma zur Software-Firma“, sagt Philipp Schiemer. „Auch diesen Wandel müssen wir mit all unseren Mitarbeitern gemeinsam vollziehen.“
Luca Profetto ist mit seinem M139L langsam auf der Zielgeraden angekommen. Er war gerade in der Mittagspause, „gschwind beim Penny“. Jetzt holt er die letzten Teile aus der Schublade seines rollenden Schranks. Den Abgaskrümmer, den Klimakompressor, den Turbolader, der später Abgase mit zwei Bar Druck in die Brennkammern pusten wird, um noch mehr Leistung rauszuholen. Gleich wird er den Motor von seinem Montagewagen lösen und ihn in einen Prüfstand fahren, zum sogenannten Kalt-Test. M139L wird zum ersten Mal laufen, mit bis zu 3000 Touren, angetrieben von einem Elektromotor. Sie wollen wissen, ob die Maschine funktioniert. Noch fehlt allerdings etwas. Luca Profetto läuft einmal durch die Halle und kommt mit einem silbernen Metallteil wieder, der Plakette mit seiner Unterschrift. Er packt sie in ein kleines, gelbes Plastiksäckchen und bindet es mit einem Kabelbinder am Motorblock fest. Den Rest erledigen die Kollegen im Mercedes-Werk in Bremen, die den Motor in den Roadster einbauen werden.
Natürlich hat er schon mal darüber nachgedacht, was mit seinem Job passiert, wenn die Maschine, auf der sein Name steht, nicht mehr verkauft werden darf. Es gibt Umschulungsprogramme bei AMG. Man kann als Monteur Karriere in der Entwicklung machen. Aber natürlich wird da etwas verloren gehen. „Motoren sind schon das, was ich machen will“, sagt Luca Profetto. Zur Not würde er natürlich auch etwas anderes machen, Fahrwerke vielleicht. „Ich bin schon flexibel“, sagt er. Was soll er auch sagen? Er wird sowieso keine Wahl haben.