Das Krypto-Experiment
von Jens Tönnesmann, Lisa Nienhaus und Lars Weisbrod
Die Zeit vom 01.07.2021
Die Artikelserie schildert einen Wettbewerb in sechs Folgen: drei RedakteurInnen investieren sechs Monate lang 500 Euro in Kryptowährungen unterschiedlicher Schwerpunkte (Influencer, Umwelt, Shitcoin). Weitere übergreifende Themen sind Investitionsstrategien, Anonymität, Sicherheit der Wallets und Geld als Idee.
Sie sehen hier den reinen Text in der anonymisierten Form für die Jury. Bilder, Layout oder multimediale Umsetzung sind beim Deutschen Journalistenpreis kein Bewertungskriterium. Allein das Wort zählt.
Das Krypto-Experiment
FOLGE 1: Das Krypto-Experiment
Bitcoin, Ripple, Ethereum: Alle reden von Kryptowährungen, kaum einer versteht sie wirklich. Doch mit ihnen konnte man in den vergangenen Jahren Reichtümer anhäufen. Unternehmer wie Elon Musk schwören auf das digitale Geld, das unabhängig von Notenbanken funktioniert. Es tummeln sich allerdings auch eine Menge halbseidene Typen in der Szene, die auch Geldwäsche und Stromverschwendung kennt. Zu einigen der rund 5000 Coins am Markt gibt es die abenteuerlichsten Geschichten.
Höchste Zeit, sich die Sache genau anzuschauen. Für die Redaktion [des Mediums] wagen sich jetzt [drei RedakteurInnen] an den Kryptomarkt. Drei Personen, drei Strategien, dreimal 500 Euro: Das sind die Eckdaten des Krypto-Experiments, das natürlich auch ein Wettbewerb ist. Welche Strategie bringt den größten Erkenntnisgewinn? Welche das meiste Geld? In loser Folge werden wir darüber berichten, was wir in der Welt der Coins gelernt haben.
Ob es aus Anlegersicht klug ist, jetzt einzusteigen, ist auch unter uns umstritten. Wir raten nicht zur Nachahmung, aber zum Mitfiebern. Das Experiment endet im Dezember. Etwaige Gewinne spenden wir für einen guten Zweck.
[RedakteurIn 1]: Die Influencer-Strategie
Mein neuer bester Freund heißt Elon Musk. Na gut, zugegeben, er ahnt nichts davon. Ich folge dem Gründer des E-Autobauers Tesla und des Raumfahrtunternehmens SpaceX nun auf Twitter und Instagram. Außerdem habe ich mir zig Interviews mit ihm angeschaut, darunter einen sehr langen YouTube-Zusammenschnitt seiner lustigsten Äußerungen über viele Jahre – und Clips, in denen er von Fans abgefangen und wackelig mit dem Handy gefilmt wird. Etwa als er gerade in sein Auto steigen will, woraufhin er kurz noch etwas Tiefgründiges zur Zukunft des Dogecoin sagt.
Das alles liegt nicht daran, dass mir der Mann besonders sympathisch wäre. Meine neue Freundschaft dient einem Zweck: Ich will meine 500 Euro vermehren. Und Elon Musk ist der Top-Influencer im Kryptomarkt. Wenn er ein Bild von einem Hund twittert, der den Mond anbellt, versehen mit der Zeile »Doge Barking at the Moon« , dann wissen seine Follower, dass er die Kryptowährung Dogecoin meint – und kaufen. Im April, als er genau das tat, schoss der Doge-Kurs in die Höhe. Als er einige Wochen später in der Fernsehsendung Saturday Night Live den Dogecoin scherzhaft als »Schwindel« bezeichnete, stürzte dieser ab. Musk nennt sich gern »The Doge-father«.
Sogar die ungleich größere Kryptowährung Bitcoin hat Musk schon bewegt. Als sein Unternehmen Tesla ankündigte, Bitcoin als Zahlungsmittel zu akzeptieren, führte das zu einem Hoch. Dann zog Musk zurück – wegen des hohen Stromverbrauchs des Bitcoin. Und der Kurs brach ein.
Es ist durchaus beunruhigend, wenn ein Mensch durch Äußerungen auf Twitter Kurse ganzer digitaler Währungen bewegen kann – und ein Fall für die Börsenaufsicht SEC, die sich damit auch schon befasst. Ich aber will es mir zunutze machen und mit der Herde laufen, die Musk folgt. Denn als Investorin lohnt es sich offenbar, seinen Gedankengängen früh zu folgen und seine Empfehlungen ernst zu nehmen.
Allerdings ist Musk für mich erst der Anfang. Im Verlauf des Experiments will ich weiteren Krypto-Influencern folgen. Ein paar habe ich schon im Auge. Empfehlungen nehme ich aber noch gern entgegen. Sie dürfen nur nicht zu abseitig sein, denn die Zukunft des Geldes suche ich – anders als [RedakteurIn 3] – eher auf der Krypto-Hauptstraße als in den dunklen Gassen.
[RedakteurIn 2]: Die grüne Strategie
Mit Kryptowährungen ist es wie mit Flügen: Einerseits komme ich per Flugzeug schnell von A nach B – zudem liebe ich den Blick aus dem Fenster. Andererseits schadet Fliegen dem Klima. Der Bitcoin stürzt mich in ein ähnliches Dilemma: Kaum ein anderes Investment könnte einen so schnell reich machen – trotz des Einbruchs zuletzt. Mit Bitcoin zu handeln macht zudem Spaß- und die Blockchain-Technologie dahinter ist faszinierend. Doch ökologisch ist der Bitcoin eine Katastrophe.
Zum Mining, also zum digitalen Herstellen der Währung, müssen Computer komplizierte kryptografische Rätsel lösen. Und das kostet viel Strom. Bitcoin und Ethereum, die meistverbreiteten Kryptowährungen, produzieren durch ihren Stromverbrauch aktuell etwa so viel Kohlendioxid wie Belgien, hat der IT-Experte Alex de Vries ausgerechnet.
In diesem Experiment will ich wissen: Gibt es grüne Substitute für den Bitcoin? Kann ich mit Kryptowährungen so viel verdienen wie meine (in diesem Experiment) gewissenlosen Kollegen [RedakteurIn 3] und [RedakteurIn 1] – und zugleich dem Klima weniger schaden? Mir geht es fürs Erste nicht um eine durch und durch ökologische Lösung. Ich will im Universum aus Tausenden Coins die klimafreundlichsten finden. Ich setze auf das etablierte Best in class- Prinzip: Dabei investiert man nur in die jeweils Nachhaltigsten einer Branche, schließt also zum Beispiel nicht per se Ölkonzerne aus, sondern gibt sein Geld dem grünsten von ihnen.
Der Vorteil: Je mehr Menschen das tun, desto größer der Anreiz für Ölkonzerne, nachhaltig zu werden. Jeder von ihnen wäre gern Klassenbester. Der Nachteil: Keine Umweltsünde ist vollkommen tabu.
Was mir bei der Suche helfen könnte: Unter Coinern, also den Investoren in digitale Währungen, greift seit ein paar Wochen die Kryptoscham um sich. Einige von ihnen haben Anfang April den »Crypto Climate Accord« gestartet, eine Art Abkommen mit dem Ziel, die Krypto-Industrie »in Rekordzeit« zu dekarbonisieren. »Unser gemeinsamer Ehrgeiz wird sowohl für den Planeten als auch für die Weltwirtschaft Gewinne schaffen«, heißt es auf der Website. So in etwa würde ich auch meine Strategie beschreiben. Mit dem kleinen Unterschied, dass am Ende nicht nur die Welt profitieren soll, sondern auch ich.
[RedakteurIn 3]: Die Shitcoin-Strategie
Bitcoin? Kryptowährungen? Lange habe ich gedacht, die beiden Begriffe seien Synonyme. Ganz falsch ist das nicht, immerhin kam der Bitcoin 2008 in die Welt, als eine erste und bis heute paradigmatische Anwendung für die sogenannte Blockchain-Technologie. Doch es gibt längst viel mehr Coins, die man im Internet kaufen kann. Von bekannten Bitcoin-Konkurrenten wie Ethereum bis hin zu Digitalmünzen, für die sich bisher noch kaum einer interessiert. Allein zwischen Ende 2019 und Anfang 2021 sind über 1500 neue Coins entstanden.
Gewissermaßen sind all diese Währungen bloße Derivate des Bitcoin. In der Szene werden sie Altcoins genannt (kurz für alternative Coins). Oder man verunglimpft sie, wenn man sie mit Skepsis betrachtet, als billige »Shitcoins«. Ich hingegen nenne sie: spannende Anlagemöglichkeiten.
Viele dieser Währungen behaupten, Probleme zu lösen, die der Bitcoin nicht löst – und daran glaube ich auch. Oder ich glaube zumindest daran, dass andere daran glauben. Und dass deshalb ihr Wert steigt. Manche Coins sind skurril, das hilft im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit und das Kapital. Und gilt nicht: Je unbekannter und billiger der Coin, desto höher meine Chance, aus den 500 Euro Einsatz ein Vermögen zu machen?
Anfang des Jahres ging zum Beispiel der Dogecoin durch die Decke. Zwischenzeitlich war die Währung zweihundertmal so viel wert wie noch kurz zuvor – dabei war der Doge eigentlich ein ironischer Spaßcoin, der seinen Namen einem albernen Hunde-Meme verdankt. Andere wetten beim Fußball darauf, dass in der rumänischen zweiten Liga der Ersatztorwart in der ersten Halbzeit drei Tore schießt – ich gehe voll rein in die ganz kleinen Kryptowährungen.
Auf coinmarketcap.com findet sich ein Ranking aller gelisteten Währungen nach Marktkapitalisierung: Wie viel Euro haben Anleger bislang insgesamt in diesen Coin investiert? Für mich gilt die Regel: Ich darf keine Coins kaufen, die unter den Top 20 dieser Liste auftauchen. Auf Platz 20 steht, als ich diesen Text hier schreibe, eine Währung mit dem seltsamen Namen Internet Computer, Investitionsvolumen 4,7 Milliarden Euro. Alles darunter – das wird mein Revier sein.
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FOLGE 2: Casino Crazy
Es gibt mehr als 5000 Kryptowährungen. Unter ihnen das nächste große Ding zu finden ist unmöglich. [RedakteurIn 3] versucht es trotzdem und sagt: »Mir ist nichts zu unseriös!«
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Ich kann, das als Erstes, wirklich nur davon abraten, mir nachzueifern. Denn mir geht es vor allem ums Geld, und das ist hochriskant. Ich wäre nämlich gern reich. Oder zumindest will ich gern allen beweisen, dass ich reich sein könnte, wenn ich es denn nur wollte. Deshalb mache ich mit beim Krypto-Experiment der [Medium]- Wirtschaftsredaktion. Ich gebe zu: Besonders viel verstehe ich noch nicht vom Krypto-Markt. Eigentlich gar nichts, ich bin RedakteurIn im Feuilleton. [Das Medium] hat mir trotzdem 500 Euro zur Verfügung gestellt, die darf ich einsetzen auf meiner Expeditionsreise. Werde ich in einem halben Jahr aus den 500 Euro 1000 machen? 50.000? Oder fünf?
Am Ende wird mir wenigstens ein Erkenntnisgewinn bleiben, hoffe ich: Was ist da los im crazy Krypto-Casino? Schrauben dort kluge Finanz-Ingenieure an einer besseren Welt? Oder soll man den ganzen Markt lieber in Grund und Boden regulieren, bevor noch etwas Schlimmes passiert?
Meine Anlagestrategie lautet: maximales Risiko. Kein Coin ist mir zu billig, kein Anbieter zu unseriös. Selbst bei einem Schneeballsystem kann man ja gewinnen, wenn man nur früh einsteigt und rechtzeitig wieder rauskommt, oder?
Für den Anfang will ich Geld in einen echten Shitcoin schießen, so nennt man ein Krypto-Projekt, das keiner ernst nimmt, nicht einmal die Macher selbst. Meist steht ein Meme im Mittelpunkt, ein Bild, das im Netz zum Running Gag geworden ist. Lustige Hunde funktionieren zum Beispiel gut. Man kauft als Spaßinvestor dann einen Hundecoin und hofft, dass andere ihn so lustig finden, dass sie auch kaufen – und der Preis sich verzehnfacht. Ein inzwischen berühmtes Beispiel: der Dogecoin.
Ich bin viel im Internet unterwegs und interessiere mich für Memes, das will ich mir zunutze machen. Auf Twitter frage ich nach möglichst irren Kaufempfehlungen. Einer meiner Follower, der sich Business Bruder nennt, scheint vom Krypto-Geschäft mehr zu verstehen als ich. Er weist mich auf den Coin »Australian Safe Shepherd« hin. Natürlich ironisch, hier ist ja alles nur ein Witz: »shitcoin lifestyle bruder alles in $ASS reinballern«. Eine Kryptowährung, die unter dem Kürzel ASS gehandelt wird, also »Arsch«? Das ist der feine Humor, nach dem ich als semiologisch vorgebildeter Feuilletonist suche. ASS könnte viral gehen. 50 Euro ist mir der Witz auf jeden Fall wert.
Aber wie werde ich mein Geld los? Auf der Website von ASS finde ich auch eine Anleitung zum Kauf, der sich kompliziert gestaltet. Zuerst brauche ich ein sogenanntes Wallet, eine elektronische Geldbörse, in der ich meine Coins später aufbewahren kann. Die ASS-Verantwortlichen empfehlen mir eine App namens Trust, die ich mir auf mein Handy herunterlade. Jetzt stellt sich heraus: ASS kann man gar nicht kaufen, jedenfalls nicht mit Euro. Ich muss zuerst eine andere Kryptowährung erwerben, den Coin der Plattform Binance. Mit meinem Wallet voller Binancecoins soll ich mich dann bei einer Tauschbörse namens Pancake Swap anmelden. Dort muss ich zu einer alten Version der Tausch-Software wechseln und darf schließlich meine Binancecoins eintauschen gegen ASS.
Ich sitze also in meinem dunklen Arbeitszimmer, tausche mich durchs halbe Internet und denke an meine Jugend, als ich noch Zeit für Computerspiele hatte. Der Kauf von Kryptowährungen kommt mir vor wie ein sogenannter Quest in einem Rollenspiel: Erst brauche ich eine Rüstung, nur dann kann ich den Drachen besiegen, der das Schwert beschützt, das ich brauche, um dann – und so weiter und so fort. Sind Kryptowährungen geboren aus dem Geist des Gamings? Ich erwerbe jedenfalls rund 21 Milliarden ASS, der Preis für einen Coin ist ein Bruchteil eines Bruchteils eines Cents.
Ich bin kein Wirtschaftsjournalist. Wie bringe ich in unserem Anlage-Spiel trotzdem meine Kompetenzen ein? Aus dem Studium (Medienwissenschaften) weiß ich, dass ausgerechnet die Pornoindustrie oft darüber entschieden hat, welche Technologien sich durchsetzen, bei der VHS-Kassette war das zum Beispiel so. Ich werde darum hellhörig, als mir jemand von einem Krypto-Coin namens Cumrocket erzählt.
Die Programmierer von Cumrocket sagen: Wir arbeiten an einer Währung, mit der Pornofans anonym ihre Lieblingsstars vergüten können. Ich finde, das passt gut zum Zeitgeist: Pornodarsteller als fleißige Kleinunternehmer, die es zu empowern gilt. Das könnte Medienberichterstattung nach sich ziehen, die wiederum andere Kleinanleger anlockt und die Kurse in die Höhe treibt. Dass der Coin in der Welt der sogenannten Erwachsenenunterhaltung tatsächlich zum Zahlungsmittel wird, bezweifle ich aber. Was kann Cumrocket, was andere Kryptowährungen nicht längst besser können? Und braucht man für diesen Anwendungsfall überhaupt eine Kryptowährung? Wann braucht man eigentlich je eine Kryptowährung? Ich kaufe trotzdem für 50 Euro.
Jetzt will ich noch etwas Anspruchsvolleres für mein Wallet. Bei meiner Recherche stolpere ich über einen Begriff aus der Kryptografie: »Zero Knowledge Proof«. Das bedeutet: Einer beweist dem anderen, dass er etwas weiß, ohne zu sagen, was er da weiß. Das klingt kompliziert, kann aber offenbar nützlich sein, wenn es um Währungen geht. In [anderem Medium] habe ich jedenfalls gelesen, dass unter Gaunern der Bitcoin nicht mehr als das sicherste Zahlungsmittel gilt. Er wird abgelöst von einer viel privateren Währung: Monero. Die nutzt offenbar den Zero Knowledge Proof und scheint möglich zu machen, was der Bitcoin nicht kann: Im Monero-System kann zwar jeder die Zahlungsvorgänge aller anderen überprüfen, aber er kann sie, anders als bei Bitcoin, nicht sehen. Transparenz und Privatsphäre sollen plötzlich kein Widerspruch mehr sein!
Wie das tatsächlich verschlüsselungsmathematisch funktioniert? »Ein Hamiltonkreis ist ein geschlossener Pfad in einem Graphen, der jeden Knoten genau einmal enthält«, schon nach diesem Satz klicke ich den Wikipedia-Eintrag »Zero Knowledge Proof« wieder weg. Intellektuell komme ich hier längst nicht mehr mit. Trotzdem will ich jeweils 50 Euro in Monero investieren und in Zcash, einen weiteren »privacy coin«. Auch ich habe zero knowledge, aber viel zu beweisen.
Verglichen mit anderen Kryptowährungen wirkt Monero wie eine durchaus gehaltvolle Erfindung. Man hat ähnlich ambitionierte Ziele wie die Bitcoin-Gemeinde und genauso überengagierte Fans. Nachdem ich über Monero getwittert habe, folgt mir ein deutscher Monero-Fan-Account, der in den Kommentaren unter meinem Tweet sofort in erbitterten Streit gerät mit Bitcoin-Puristen. Es geht um Inflation oder so.
Um die Praxistauglichkeit von Monero zu testen, will ich den Coin gern anonym kaufen. Das Portal LocalMonero schlägt mir vor, anderen Nutzern privat ihre Moneros abzukaufen – und mit Bargeld zu zahlen. Leider wird mir nur ein User aus Münster in Nordrhein-Westfalen angezeigt. Da fahre ich jetzt nicht extra hin, so wichtig ist mir Anonymität auch nicht. Ich entscheide mich für den bequemen Weg und shoppe mit Kreditkarte.
Später gute Nachrichten: In Schweden mussten 800 Supermärkte schließen, weil die Kassensysteme ausfielen. Der Dienstleister war Ziel einer weltweiten Cyber-Attacke geworden. Die Hacker forderten 70 Millionen US-Dollar Lösegeld, auszuzahlen in Bitcoin, das berichten Medien. Einer Branchen-Website aber wird der Screenshot eines der Erpresserbriefe zugespielt, dort steht als Währung: Monero. Gute Werbung für einen privacy coin, mir bringt das ein paar Prozentpunkte Kursgewinn. Bitcoin will das neue Geld sein, Monero könnte zumindest das neue Lösegeld werden.
Trotzdem bin ich noch nicht zufrieden. Manche sagen: Beim Investieren lernt man sich erst wirklich kennen. Ich aber kenne mich leider schon, ich weiß um jede meiner zahlreichen Schwächen. Woran werde ich also scheitern? Sicher an meiner zögerlichen Mittelmäßigkeit, ich hadere gern und zaudere viel. Das muss sich ändern.
Ein alter Bekannter aus dem Studium schreibt mir bei Twitter. Heute arbeitet er als Lektor bei einem Literaturverlag. Ob ich schon von OlympusDAO gehört habe? Der Name fasziniert mich sofort, ich klicke mich durch die Website. DAO bedeutet »Dezentralisierte Autonome Organisation«, das klingt, als falle der Begriff in einem entscheidenden Nebensatz eines sehr guten Science-Fiction-Films. Überhaupt komme ich mir, wenn ich durch die ausführliche Beschreibung von OlympusDAO scrolle, so vor, als hätte ich einen anregend umständlichen Roman irgendwo in der Mitte aufgeschlagen. Mir fehlen die Voraussetzungen, um nachzuvollziehen, was hier passiert. Ist das meine Chance?
Erst will ich noch in einen Podcast reinhören, um mehr über OlympusDAO zu erfahren. Ein Amerikaner spricht mit einem Mann, der sich Fiskantes nennt und dessen tiefe Stimme mich beeindruckt, der osteuropäische Akzent klingt sehr männlich. Fiskantes entschuldigt sich, dass er in der lauten Lobby eines Hotels sitzt. Er sei auf Reisen. Dann erzählt er, wie er früher als Online-Poker-Spieler seinen Lebensunterhalt verdient habe. In asiatischen Online-Casinos habe er in acht Partien gleichzeitig sein Geld gegen unbedarfte Gelegenheitsspieler gesetzt. Damals hätten die Casinos oft nur Bitcoin ausgezahlt, so sei er auf den Markt der Kryptowährungen aufmerksam geworden. Inzwischen hat Fiskantes das Pokern aufgegeben und eine Krypto-Investmentfirma gegründet. Irgendwann habe ihn auf Twitter ein User mit dem Namen Zeus angeschrieben, der anonyme Programmierer hinter Olympus. Zeus sei ein Genie, sagt Fiskantes. Die Ideen des Programmierers hätten ihn so begeistert, dass er unbedingt in OlympusDAO investieren wollte.
In einem Artikel von Frank Schirrmacher habe ich mal gelesen, dass nach dem Ende des Kalten Krieges vielen amerikanischen Physikern die berufliche Perspektive fehlte: Der militärisch-industrielle Komplex war auf ihre Arbeit nicht mehr angewiesen. Manche Physiker wechselten deswegen an die Wall Street. Dort entwickelten sie komplexe mathematische Prognosemodelle und Produkte, die bis heute die Finanzindustrie prägen und in der Finanzkrise eine unrühmliche Rolle spielten. Fiskantes sagt, viele Profi-Pokerspieler seien inzwischen in die Krypto-Szene eingestiegen. Vor allem seit das Poker-Geschäft online strenger reguliert wird und weniger lukrativ geworden ist.
Ich bin mir nicht sicher, was ich als Anleger davon halten soll. Auch nicht, ob das, was Zeus mit seinem Coin plant, wirklich Sinn ergibt. Er will eine tatsächlich stabile Kryptowährung etablieren, die nicht so volatil ist wie Bitcoin. Außer am Anfang, da soll die Olympus-Währung sehr volatil sein. Deswegen könne ich jetzt auch noch einsteigen und womöglich reich werden. Klingt das plausibel? Ich fange wieder an zu zögern. OHM heißt der Coin, den Olympus herausgibt, und ich will ihn kaufen. Diesmal gleich für 100 Euro.
Und kaufen kann ich ja inzwischen – dachte ich jedenfalls. Mein Herz bleibt stehen: Die 100 DAI, die ich gegen OHM tauschen wollte, sind nie in meinem Wallet angekommen. Sind sie weg? Auch meine Zcash-Coins finde ich nicht mehr. Bei der Blockchain kann ich nicht anrufen wie bei meiner Sparkasse. Als ich bei Twitter um Hilfe bitte, kommentiert der Monero-Fan: Die anderen Coins seien eh Müll, »also kein Verlust«. Außerdem schreibt mir ein freundlicher Betrüger-Bot. Er gibt sich als Kundensupport meines Wallets aus und will mich auf eine falsche Website locken. Irgendwann finde ich meine Coins wieder.
Die Technik, auf der Kryptowährungen beruhen, heißt Blockchain; es handelt sich dabei um ein dezentrales Kassenbuch, so steht es überall. Das ist schön, aber für mich zählt am Ende nur mein eigenes, zentrales Kassenbuch. Was trage ich dort ein? Der Kauf von 21 Milliarden ASS-Coins kostete mich 52,96 Euro. Dann 50 Euro für Cumrocket, jeweils 50 Euro für Monero und Zcash, 100 Euro habe ich für OHM gezahlt. Dazu 20 Euro für Ethercoins, die man in der Portokasse braucht, um manche Währungen hin- und herzubewegen. Macht 322,96 Euro, die ich ausgegeben habe, inklusive Gebühren. Vom Ether-Netzwerk bis zu meiner Kreditkartenfirma kassiert jeder Wegzoll, insgesamt habe ich 40 Euro für Gebühren gezahlt. Die muss ich erst mal wieder reinholen.
Dafür müssten die Kurse meiner Coins aber steigen – und nicht immer weiter fallen. Aus meinem Portfolio blutet es überall rot heraus. Inzwischen verliere ich jeden Tag Geld. Ich lese einen Artikel von Fiskantes, der nervösen Neu-Anlegern rät: Nicht in Panik verfallen. Beim Pokern habe er die Guthaben-Anzeige auf seinem Monitor stets überklebt, um sich nicht von kurzfristigen Gewinnen und Verlusten ablenken zu lassen. Ich stelle also einen Alarm ein, falls die Kurse wieder steigen, und schaue nicht mehr dauernd in meine App.
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Der Stand der Depots
[RedakteurIn 1]: DIE INFLUENCER-STRATEGIE
Bestand
Bitcoin: 191,29 €
Binance: 52,32 €
Bargeld: 250 €
493,61 Euro
[RedakteurIn 2]: DIE GRÜNE STRATEGIE
Bestand
Algo: 77,41 €
Iota: 47,07 €
Cardano: 46,61 €
Hedera Hashgraph: 34,99 €
Stellar Lumens: 33,86 €
Bitcoin: 0,15 €
Binance: 0,04€
Bargeld: 250 €
490,13 Euro
[RedakteurIn 3]: DIE SHITCOIN-STRATEGIE
Bestand
Olympus: 81,67 €
Monero: 48,95 €
Zcash: 45,04 €
ASS: 35,52 €
Cumrocket: 30,23 €
Ethereum: 4,63 €
Binance: 2,37 €
Bargeld: 179,04 €
427,45 Euro
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FOLGE 3: Retten meine Coins das Klima?
Der Bitcoin gilt als ziemlich umweltschädlich. Es gibt aber Kryptowährungen, die sich laut ihren Erfindern angeblich sogar positiv auswirken. Von [RedakteurIn 2]
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Seit Kurzem duelliere ich mich mit Brasiliens Präsidenten – und wenn es gut läuft, verdiene ich daran sogar. Jair Bolsonaro sorgt dafür, dass der Regenwald im Rekordtempo abgeholzt wird. Aber er hat viele Gegner, und zu deren neuesten Waffen zählt der Moss-CO2-Token, eine Kryptowährung. Die Moss-Leute sagen, mithilfe des Tokens seien innerhalb von acht Monaten eine Million Hektar Regenwald gerettet worden – eine Fläche, halb so groß wie der Libanon. Man habe schon mehr zum Erhalt des Regenwalds beigetragen als Brasiliens Regierung, was auch nicht allzu schwer sein dürfte.
Jedenfalls mache ich mit: Seit ein paar Tagen besitze ich 9,83 dieser Token. Ich habe dafür 25 Celo bezahlt, die ich kurz vorher für 0,0018 Bitcoin gekauft habe, für die ich 45,47 Euro ausgegeben hatte. Ich habe eine Kryptobörse benutzt, eine App installiert, mich auf einer Tauschplattform angemeldet, mir eine Passphrase aus 24 Wörtern notiert. Das hat sich gelohnt: Heute sind meine MCO2-Token 52,49 Euro wert. Und wenn es so weitergeht, dann liege ich in diesem Experiment am Ende nicht nur vorn, ich habe dann auch weniger zur Erderwärmung beigetragen als [RedakteurIn 3], der/die auf Shitcoins setzt, und [RedakteurIn 1], der/die Krypto-Influencern folgt.
Man muss dazu wissen: Viele Kryptowährungen sind klimaschädlich, allen voran der Bitcoin. Ein Team um den Informatiker Ulrich Gallersdörfer von der TU München hat ausgerechnet, dass Bitcoin für mehr Klimagas-Emissionen sorgt, als durch alle elektrischen Autos bisher eingespart werden. Schuld ist der hohe Bedarf an Strom, der zu großen Teilen aus fossilen Quellen stammt.
Gemessen an ihrer Verbreitung sind andere Coins aber noch schmutziger. Das zeigt eine Studie, für die Gallersdörfer und Kollegen den Stromverbrauch der 20 wertvollsten Kryptowährungen berechnet haben. Der RavenCoin macht zwar nur 0,06 Prozent des Gesamtwerts aus, braucht aber mehr als vier Prozent der gemeinsamen Rechenleistung. Überdurchschnittlich viel Energie fressen auch der Dogecoin, ein Liebling des Krypto-Influencers Elon Musk, und Monero, mit dem [RedakteurIn 3] Geschäfte macht.
Aber wie komme ich an grüne Alternativen? Gibt es eine grüne Börse, auf der sich klimafreundliche Coins finden und klima-unschädlich handeln lassen?
Offenbar! Sie heißt Gemini und wurde von Tyler und Cameron Winklevoss gegründet. Die Zwillinge haben sich mal mit Mark Zuckerberg darüber gestritten, wer Facebook erfunden hat; nach einem Vergleich bekamen die beiden ein paar Millionen Dollar, steckten sie in Bitcoin, wurden zu Milliardären. Auf der Gemini-Website rechnen sie vor, dass sie schon 4.031.767 Dollar für CO₂-Zertifikate ausgegeben und so den Ausstoß von 341.965 Tonnen CO₂ ausgeglichen haben; Gemini sei jetzt die erste grüne Kryptobörse.
Das Problem ist: In mehr als 60 Ländern kann man Gemini nutzen, aber Deutschland ist bisher nicht dabei; die Gründe: unklar. Wann ändert sich das? Die Winkelvii lassen meine Anfrage unbeantwortet, auf ein Gespräch haben sie wohl keine Lust. Schade.
Also nutze ich Binance, die wohl größte Kryptobörse, und frage im Kundenchat nach Stromverbrauch und Emissionen. »Diesbezüglich kann Ich Ihnen leider keine Informationen geben«, schreibt ein Mitarbeiter namens Kai. Warum nicht? »Weil Ich keine Informationen darüber habe.« Und welche der mehr als 150 Coins auf Binance sind umweltfreundlich? »Darüber habe Ich ebenfalls leider keine Informationen.«
Ich google drauflos. Und stoße auf den Crypto Climate Accord, eine Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, die ganze Krypto-Industrie »in Rekordzeit« auf erneuerbare Energien umzustellen. Dafür setze man auf einen »big tent approach«, was wohl bedeutet, dass man möglichst alle mitnehmen will. Wie das in der zersplitterten Kryptowelt mit ihren unzähligen Coins gehen soll, bleibt eher unklar. Und auch Anlagetipps gibt’s nicht. Unter dem Punkt »Solutions« steht: »Die Lösung besteht nicht darin, einzelne Token als grün oder nicht grün zu kennzeichnen.«
Wenn es um die Umweltverträglichkeit geht, ist die Kryptoszene noch ziemlich unterentwickelt. Es gibt keine Labels und Standards, die mir helfen. Also folge ich ein paar losen Empfehlungen in irgendwelchen Blogs und investiere 250 Euro in Coins mit geheimnisvollen Namen: Stellar Lumens, Algorand, Hedera Hashgraph, Iota, Cardano. Ein Twitter-Nutzer kommentiert das mit den Worten, ich sei »definitiv der größere shitcoiner« als [RedakteurIn 3], Doppel-Zwinker-Smiley. Danke, aber das will ich doch gar nicht sein!
Habe ich mir da wirklich Schrott ins Portfolio geholt? Zeit für einen Anruf bei Alex de Vries. De Vries arbeitet als Datenwissenschaftler bei der niederländischen Zentralbank und betreibt seit 2014 die Website Digiconomist.net. Hätte er damals in Bitcoin investiert, wäre er heute ein sehr reicher Mensch. »Aber ich könnte wohl nicht mehr ruhig schlafen«, sagt de Vries.
Stattdessen analysiert de Vries seit Jahren die Klimawirkung von Kryptowährungen, die auf der Blockchain-Technologie basieren. Ähnlich wie in einem Kassenbuch werden die Transaktionen in Datenblöcken gespeichert, die miteinander verkettet sind; diese Kette wird von unzähligen Rechnern weltweit verwaltet und fortgeschrieben. Um den Energieverbrauch eines Coins zu ermessen, betrachten Analysten wie de Vries die Rechenleistung seines Netzwerks. Dann analysieren sie anhand der IP-Adressen, wo die Rechner stehen, und schätzen anhand des dort gängigen Energiemixes aus fossilen und erneuerbaren Quellen ihre Emissionen.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei der sogenannte Konsensmechanismus eines Coins. Weil Kryptowährungen ohne eine Bank auskommen wollen, müssen sich die Rechner im Netzwerk irgendwie darüber verständigen, welche Transaktionen gültig sind.
Für dieses Problem hat der Bitcoin-Erfinder eine geniale Lösung gefunden: »Proof of Work«, Arbeitsnachweis. Rechner im Netzwerk müssen komplexe kryptografische Rätsel lösen. Wer als Erster die Lösung findet, wird mit neuen Bitcoin belohnt. Alle Rechner prüfen das Ergebnis (das geht schnell) und übernehmen es. Der Mechanismus bewirkt, dass es quasi unmöglich ist, die Blockchain zu manipulieren, er kostet aber auch viel Rechenleistung.
Sparsamer sind Kryptowährungen, die auf einen Konsensmechanismus namens »Proof of Stake« setzen. Er verlangt keinen Arbeits-, sondern einen Anteilsnachweis: Das Kassenbuch darf fortschreiben, wer ein bestimmtes Vermögen vorweist, die eigentliche Rechenoperation geht schnell. Es zählt also Macht, nicht Fleiß.
Das Verfahren ist sparsam, hat aber Nachteile: Wer besonders viele Einheiten eines Coins besitzt, hat auch besonders viel Macht – und könnte das Kassenbuch im Extremfall in seinem Sinne manipulieren. In einen Proof-of-Stake-Coin zu investieren setzt also Vertrauen voraus. Für eingeschworene Bitcoiner ein No-Go, ich nehme das in Kauf.
Als de Vries sich mein Portfolio anschaut, lacht er trotzdem kurz auf: Hedera und Iota sind gar keine Blockchains, sondern arbeiten mit sogenannten »gerichteten azyklischen Graphen«. Diese Technologie erfordere eine zentrale Instanz, auf die Kryptowährungen ja eigentlich verzichten wollen. »Aber immerhin sind Ihre Investments umweltverträglicher als der Bitcoin«, sagt de Vries.
Geht das genauer? Im Netz entdecke ich das Carbon Crypto Ratings Institute mit Sitz in Dingolfing, das die Klimawirkung einzelner Kryptowährungen ermitteln will. Dahinter stecken drei mir bekannte Gesichter: Ulrich Gallersdörfer von der TU München und seine Forscherkollegen. Gallersdörfer erzählt mir, dass viele Vermögensverwalter und Fondsmanager heute wissen wollen, wie nachhaltig ihre Krypto-Investments sind.
Hier bin ich richtig, denke ich und frage ihn, wo ich meine restlichen hundert Euro grün investieren kann. »Ich gebe keine Anlagetipps«, sagt Gallersdörfer. Nun gut, aber was ist mit Hedera Hashgraph? Darüber wisse er zu wenig. Algorand? Die hätten sich den Energieverbrauch schöngerechnet. Stellar Lumens? Da behalte er seine Meinung lieber für sich. Und Celo? »Moment, wie schreibt sich das?«, fragt Gallersdörfer und guckt ratlos in die Kamera.
Celo! Mein neuestes Investment, wurde mir auf Twitter empfohlen. Celo hat die Vision, ein gerechtes Finanzsystem zu schaffen, erklärt mir Markus Franke, bei Celo verantwortlich für die »Protokoll-Ökonomie«, im Video-Call. Per Smartphone-App kann man seine Celo Coins günstig und schnell an andere Nutzer schicken, etwa an Verwandte im Ausland. Dank seines Proof-of-Stake-Mechanismus sei Celos Blockchain auch viele Tausend Mal effizienter als die des Bitcoin. Mit einem Teil der Transaktionsgebühren würden außerdem Baumpflanzprojekte finanziert und Celos Emissionen ausgeglichen.
Und dann sei da noch der Celo Moss CO2-Token, eine Art digitales Klimaschutz-Zertifikat auf der Celo-Blockchain, das sich handeln lässt. Mit einem MCO2-Token besitze man einen carbon credit, der den Ausstoß von einer Tonne CO₂ ausgleiche, sagt Franke, das Geld fließe in verschiedene Projekte. Eines heißt Amazon-Rio und hat das Ziel, in der Gemeinde Manicoré am Amazonas die Entwaldung zu stoppen. Klingt gut, und im Netz ist es auch dokumentiert.
Kurz nach dem Gespräch kaufe ich 82,42 Celo; 25 davon tausche ich gegen 9,83 MCO2-Token ein. Später schickt mir Celos Sprecher noch eine sehr detaillierte Kalkulation: Eine Transaktion wie meine erzeuge im Schnitt 80 Gramm CO₂, Celo gleiche aber 240 Gramm aus. Mein Celo-Investment ist also offenbar: klimapositiv.
Ob sich die Klimawirkung meiner anderen Coins ähnlich berechnen lässt? Ich frage nach. Die Stellar Foundation verweist auf einen Studenten, der in einer 74-seitigen Studie einen Stromverbrauch von 0,00022 Kilowattstunden pro Transaktion ermittelt hat. Hedera Hashgraph braucht nach eigenen Angaben für eine Transaktion 0,00042256 Kilowattstunden Strom, das entspreche einem CO₂-Ausstoß von 0,0000000205494 Tonnen. Algorand liefert mir keine Zahlen, erklärt aber auf seiner Website, man wolle »kohlenstoffnegativ« laufen, dafür werde man ein »Nachhaltigkeitsorakel« implementieren.
Moment, ein Nachhaltigkeitsorakel?
Ich merke: Die Grundregel der Geldanlage, nur in Dinge zu investieren, die ich verstehe, habe ich in diesem Experiment längst verletzt. Die Coins lassen sich nur schwer vergleichen, die Angaben ihrer Erfinder kaum verifizieren. Ich glaube, ich mache es am Ende dieses Experiments einfach so: Mit den Coins, die dann noch übrig sind, kaufe ich CO₂-Zertifikate – und neutralisiere im besten Fall [RedakteurIn 3]’ und [RedakteurIn 1]s Deals gleich mit.
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Der Stand der Depots
[RedakteurIn 1]: DIE INFLUENCER-STRATEGIE
Bestand
Bitcoin: 225,02 €
Binance: 53,13 €
Bargeld: 250,00 €
528,15 Euro
[RedakteurIn 2]: DIE GRÜNE STRATEGIE
Bestand
Celo: 123,63 €
Algorand: 77,16 €
Iota: 53,78 €
MCO2-Token: 52,49 €
Cardano: 46,61 €
Stellar Lumens: 38,45 €
Hedera Hashgraph: 37,71 €
Bitcoin: 0,16 €
Bargeld: 100,00 €
529,99 Euro
[RedakteurIn 3]: DIE SHITCOIN-STRATEGIE
Bestand
Olympus: 97,46 €
CryptoBlades: 62,19 €
Monero: 52,19 €
Zcash: 42,65 €
ASS: 33,90 €
Cumrocket: 23,98 €
Bargeld: 109,04 €
421,41 Euro
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FOLGE 4: Hilfe, ein Hack!
Nach dem größten Krypto-Raub aller Zeiten frage ich mich: Wie sicher sind meine Coins? Sie zu schützen ist mühsam. Von [RedakteurIn 1]
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Es ist kurz vor Mitternacht. Ich sitze am Esstisch und fädele metallene Plättchen mit aufgestanzten Buchstaben und einem Loch in der Mitte auf einen Metallstab. Die Platten sind sehr dünn, es sind sehr viele, genau 120 Stück brauche ich. Das dauert! Es ist, als wäre ich wieder zehn und zum Geburtstag mit Bastel-Event geladen. Nur hat die Sache hier noch eine digitale Komponente: Die Reihenfolge der Buchstaben lese ich von einem Datenstick ab, der über ein Kabel mit meinem Laptop verbunden ist. 24 englische Wörter zeigt er mir nacheinander an, die zusammen eine Art supersicheres Master-Passwort ergeben. Darunter – so viel verrate ich einfach mal – »grit«, ein wunderschöner englischer Ausdruck, der eine Mischung aus Mut, Entschlossenheit und Durchhaltevermögen bedeutet.
Durchhaltevermögen brauche ich jetzt. Denn so hatte ich mir das nicht vorgestellt mit dem Anlegen in Bitcoin & Co. Über vieles hatte ich nachgedacht, als wir vor sieben Wochen das [Medium]-Krypto-Experiment begonnen haben, mit dem wir sechs Monate lang den Markt für Kryptowährungen erkunden: Welche Internetwährungen soll ich kaufen? Wie funktionieren sie überhaupt? Wird ihr Wert steigen? Was, wenn nicht? Und was, wenn ich verliere in diesem Battle mit den beiden Kollegen [RedakteurIn 2] und [RedakteurIn 3], die wie ich je 500 Euro investieren?
Woran ich keinen Gedanken verschwendete: Sicherheit. Wer Sicherheit will, legt sein Geld in deutsche Staatsanleihen an oder in einen ETF auf den Dax. Nicht in Kryptowährungen. Dachte ich. Unser Krypto-Experiment ist außerdem nicht zum Nachahmen gedacht für die Geldanlage, sondern als eine Art Spiel mit Erkenntnisinteresse. No risk, no fun. Dachte ich.
Dann kam Mister Whitehat. So nennt das Internet die Person (oder sind es mehrere?), der vergangene Woche ein spektakulärer Hack gelang. Mehr als 600 Millionen Dollar in verschiedenen Kryptowährungen erbeutete sie, indem sie eine Schwachstelle der Plattform PolyNetwork ausnutzte. Das ist ein Ort im Internet, an dem Krypto-Investoren untereinander Coins tauschen können. Bei PolyNetwork läuft das auf eine besonders fortschrittliche Art: Die Nutzer schließen auf computerverständliche Art Verträge miteinander, sogenannte Smart Contracts, die dann automatisch ausgeführt werden. Mister Whitehat ist es gelungen, den Inhalt dieser Verträge massenhaft zu manipulieren und dabei Krypto-Geld abzuzweigen: 600 Millionen Dollar, der größte Hack der Krypto-Geschichte! Erbeutet hat er Coins, die auf drei unterschiedlichen Blockchains laufen. Zwei davon nutze auch ich.
Und jetzt sitze ich hier und reihe Buchstaben aneinander, die 24 Worte ergeben. Falls ich jemals den Zugang zu meinem digitalen Portemonnaie mit Kryptowährungen verliere, sind sie der Sicherheitscode, um alles wiederzubekommen. »The mother of all backups« steht auf der weißen Pappschachtel vor mir. Sie gehört zu einer zigarrenförmigen metallenen Sicherheitskapsel, in die ich am Ende den Metallstab mit den sorgfältig sortierten Buchstabenplättchen versenken werde, um ihn aufzubewahren. Wasserdicht ist die Kapsel, aus rostfreiem Stahl und feuerfest bis 1350 Grad Celsius – so steht es auf der Verpackung. Ob die Flut kommt oder mein Haus abbrennt, meine Kryptos sind sicher.
Wie konnte das geschehen? Wie kam der Sicherheitswahn ins Krypto-Spiel?
Vielleicht liegt es daran, dass ich mittlerweile etwas zu verlieren habe. Mein Portfolio hat vergangene Woche ein wundersames erstes Plus an Wert erreicht: Aus 500 Euro habe ich zeitweise 600 Euro gemacht. Das hat zwar eher mit den überall steigenden Krypto-Märkten zu tun als mit meiner klugen Strategie. Und doch beschleicht mich das angenehme Gefühl, dass ich irgendwie wissen muss, was ich tue, wenn es so gut läuft.
Bis zum Hack. Zwar ist schnell klar, dass weder ich noch meine Krypto-Kollegen davon betroffen sind. Doch ähnliche Plattformen wie PolyNetwork haben wir sehr wohl schon genutzt. Sind wir leichte Beute für Krypto-Kriminelle?
Ich, da bin ich mir sofort sicher, ganz bestimmt. Von [RedakteurIn 3] und [RedakteurIn 2] habe ich immerhin ab und zu mit einem Ohr gehört, dass sie von Sicherheitsschlüsseln sprechen, von Wallets, in die sie ihre Coins schieben. Meine Coins hingegen liegen alle noch auf den Plattformen der beiden Börsen, an denen ich sie gekauft habe. Denn eines habe ich schnell kapiert: Fast jedes Bewegen der Coins kostet Gebühren. Das habe ich mir bislang gespart.
Doch der Hack weckt in mir Lust auf eine neue Herausforderung: Ich will nicht mehr nur mehr Geld verdienen als die Kollegen (da liegt [RedakteurIn 2] aktuell sowieso vor mir, aber abgerechnet wird erst im Dezember). Ich will meine Coins auch am sichersten von uns allen verwahren und dem ominösen Mister Whitehat zuvorkommen.
Ein kurzer Blick auf die gängigen Empfehlungen bestätigt allerdings meinen Verdacht: So wie ich es jetzt mache, wird das nichts.
Meine Bitcoin zum Beispiel. Deren Zugangsdaten – das ist es, was in einer digitalen Geldbörse liegt – sollte man nicht irgendwo im Internet speichern. Genau das habe ich aber getan. Meine Bitcoin liegen bei der Börse Binance. Die ist zwar riesig, aber sehr jung und wurde – ausgerechnet – in China gegründet. Seit China härter gegen Kryptowährungen vorgeht, ist Binance nach Malta umgezogen. Das ist zwar ein EU-Land, aber eher bekannt für Niedrigsteuern und den Verkauf von Pässen als für eine strenge Finanzaufsicht.
Andere meiner digitalen Münzen liegen auf Coinbase, einer Börse, die es immerhin schon seit neun Jahren gibt – eine Ewigkeit im Krypto-Universum – und die ihren Sitz in San Francisco hat. Kürzlich hat die deutsche Finanzaufsicht BaFin Coinbase eine offizielle Lizenz für das Kryptoverwahrgeschäft erteilt, die erste Lizenz dieser Art. Schon vertrauenswürdiger.
Die gängige Empfehlung lautet trotzdem: Meine digitalen Münzen soll ich, wenn ich sie nicht sehr bald wieder verkaufen will, weder bei Binance noch bei Coinbase liegen lassen. Ich soll sie in meine eigene digitale Geldbörse, auf Englisch: wallet, legen. Die gibt es als Software, etwa als App auf dem Handy oder dem Computer (nicht zu empfehlen). Oder – sicherer! – als Hardware-Wallet. Das ist in der Regel ein Datenstick, den man vom Computer und damit vom Internet entfernen kann. So sind die Daten vor Hackerangriffen geschützt.
Die abgefahrenste Möglichkeit aber ist die Paper-Wallet. Das ist ein Stück Papier, auf das man die notwendigen Schlüssel für den Zugang zu seinen Coins druckt, gern in Form eines QR-Codes, den man schnell wieder einsetzen kann. Optisch sieht das aus wie der alte Sozialversicherungsausweis auf Papier. Ich liebäugele kurz damit. Doch dann verwerfe ich die Idee, aus pragmatischen Gründen: Zu gefährlich, dass meine Paper-Wallet versehentlich im Altpapier landet.
Es wird ein Stick der französischen Firma Ledger. Und da er eine 24 Worte umfassende Absicherungsphrase erzeugt, brauche ich dafür noch eine zweite Sicherung: Manche schreiben die 24 Worte auf Papier, andere ritzen oder stanzen sie in hübsche Metallplatten. Ich kaufe die Kapsel.
Und so sitze ich nachts da und frickele. Kompliziert ist das nicht, aber nervig. Und teuer. Rund 150 Euro habe ich für die Sicherheit ausgegeben. Für mein Coin-Portfolio lohnt sich das nur, wenn man sehr große Wertzuwächse erwartet. Zumal danach noch ein Hammer kommt: Um meine Bitcoin in die neue sichere Wallet rüberzuschieben, will Binance mir sage und schreibe 22,47 Euro an Gebühren abknöpfen. Ich verschiebe den Transfer und schaffe erst einmal meine kürzlich angeschafften Maker-Coins auf den Stick. Das kostet nur zwei Euro.
Kryptowährungen wollen Geld sein, das ohne eine zentrale Instanz wie eine Notenbank auskommt. Sie kommen aber offenbar noch lange nicht ohne ein Finanzsystem aus, das mir an allen Ecken Geld abknöpfen will. In der neuen Welt ist alles beim Alten.
Oder doch nicht ganz? Mister Whitehat hat seine Beute nämlich mittlerweile zurückgezahlt. Wahrscheinlich wollte er nur auf eine Schwachstelle hinweisen. Vielleicht haben ihn aber auch die 500.000 Dollar motiviert, die PolyNetwork ihm zusagte.
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Der Stand der Depots
[RedakteurIn 1]: DIE INFLUENCER-STRATEGIE
Bestand: Bitcoin, Binance, Maker
Bargeld: 200,00 €
aktueller Gesamtwert: 586,24 Euro
[RedakteurIn 2]: DIE GRÜNE STRATEGIE
Bestand: Algorand, Cardano, Iota, Avalanche, Stellar Lumens, Hedera Hashgraph, EOS, Tron, Celo, MCO2-Token
Bargeld: 14,22 €
aktueller Gesamtwert: 668,52 Euro
[RedakteurIn 3]: DIE SHITCOIN-STRATEGIE
Bestand: Olympus, CryptoBlades, Monero, Zcash, Australian Safe Shepherd, Cumrocket
Bargeld: 109,04 €
aktueller Gesamtwert: 384,65 Euro
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FOLGE 5: Der Hamster und ich
Drei Personen, drei Strategien, dreimal 500 Euro: Das ist das Krypto-Experiment der [Medium]-Redaktion. Welche Strategie bringt den größten Erkenntnisgewinn? Den Halbzeitstand präsentiert [RedakteurIn 2]
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In letzter Zeit werde ich oft gefragt, was denn »mein Geheimnis« sei. Es geht um meinen Erfolg beim Handel mit Kryptowährungen: mehr als 100 Prozent Gewinn in drei Monaten! Die Frage ist also angebracht, kommt allerdings stets von ein und derselben Person: meinem*r Kollegen*in [RedakteurIn 1], deren Erfolgsbilanz nicht ganz so gut aussieht.
[RedakteurIn 1], unser*e Feuilleton-Kollege*in [RedakteurIn 3] und ich experimentieren seit drei Monaten mit Bitcoin, Dogecoin, Monero und so. [Das Medium] hat uns mit jeweils 500 Euro ausgestattet, die wir beliebig in die vielen Tausend Kryptowährungen stecken, die es inzwischen gibt; wir berichten darüber im Wirtschaftsteil. Meine Strategie ist, dass ich Kryptowährungen auswähle, die klimafreundlicher sind als der Klassiker Bitcoin, weil für ihre Erzeugung und den Handel damit weniger Energie verbraucht wird. Wenn am Ende dieses Experiments ein Gewinn steht, wird der gespendet. Zur Halbzeit sieht es danach aus: [RedakteurIn 3]’ Depot ist aktuell 380 Euro wert, [RedakteurIn 1]s Depot 522 Euro und meines 1053 Euro.
Was also ist mein Geheimnis?
Es ähnelt dem von Mr. Goxx. Mr. Goxx ist ein Hamster, der wie wir seit drei Monaten in Kryptowährungen investiert. Seine Besitzer – angeblich zwei Deutsche, die anonym bleiben wollen – haben ihm dafür einen Käfig gebaut, in dem er seine Kaufentscheidungen trifft, per Livestream kann alle Welt zusehen. Die Währung wählt der Hamster aus, indem er Runden in seinem Laufrad dreht. Wenn er dann Hunger bekommt und zu den Gurkenscheiben will, muss er durch einen von zwei Tunneln: links bedeutet verkaufen, rechts kaufen. Bisher hat er so rund 20 Prozent Gewinn gemacht.
Mr. Goxx hat unter anderem in Tron, Stellar Lumens, Eos und Cardano angelegt. Wie ich.
Mein Zufallsmechanismus sind die Webseiten, auf denen die Herausgeber bestimmter Coins mit deren niedrigem Energieverbrauch werben – ich scrolle da auf gut Glück hin und her. Und auch ich folge meinem Bauchgefühl, wenn ich handele. Der Avalanche-Kurs steigt seit ein paar Wochen? Verkaufen, Gewinn mitnehmen. Der Celo-Kurs ist gefallen? Nachkaufen. Tron läuft nicht? Abwarten.
Am Wochenende habe ich den Cardano Summit besucht, eine virtuelle Konferenz über das gleichnamige Blockchain-Projekt. Es war ein Ausflug in eine Fantasiewelt: Am Himmel flogen bunte Quallen und Rochen vorbei, während auf einer Leinwand Reden von Coin-Experten zu sehen waren.
Ich habe mir ein Panel zur Klimawirkung der Blockchain-Technologie angesehen, es war eher oberflächlich. Eine Keynote zum Thema Umwelt wurde ganz abgesagt. Und ich habe schnell gemerkt, dass die anderen nicht mit mir diskutieren wollten, was die grünsten Coins sind, sondern lieber Jagd auf Schmetterlinge und Elfen machten, um Coins zu gewinnen: »Wie bekomme ich ein Zauberbison?«
Ich habe konkreter in die Runde gefragt: Soll ich andere Kryptos verkaufen, um noch mehr Ada – so heißt die Cardano-Währung – zu kaufen? Ein gelber Hase aus dem kalifornischen Squaw Valley fand: Diversifizieren sei gut, aber meine Stellar könnte ich schon gegen Ada eintauschen; ansonsten solle ich tun, was sich »am Besten anfühlt«.
Gut. Mr. Goxx hat seine Stellar auch verkauft. Auf Hamster, Hasen und den Bauch hören: Das, liebe [RedakteurIn 1], ist mein Geheimnis in dieser Lotterie.
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FOLGE 6: Krypto-Game over
Sechs Monate haben unsere Autoren ihr Geld in Kryptowährungen angelegt. Was lernt man über die Welt der Coins, wenn man Teil von ihr wird?
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[RedakteurIn 1]: Drei Erkenntnisse mit niedlichen Hunden
In dem Moment, in dem ich die Kryptowährung Baby Doge nicht kaufte, war das Krypto-Experiment für mich vermutlich schon gelaufen. Ich hätte dabei sein können Anfang Juli beim großen Hype rund um diesen weiteren Coin, der wie ein noch süßerer Hund aussah als die vorherigen Hunde-Coins und den sogar Elon Musk empfahl. Meine Strategie im Krypto-Experiment war schließlich, das zu kaufen, was Influencer der Szene empfehlen, allen voran Musk. Auf Baby Doge kam ich am 1. Juli, einen Tag nach Start des Krypto-Experiments, durch einen Tweet von Musk, der da lautete: »Baby Doge, doo, doo, doo, doo, doo, Baby Doge ...« und so weiter. Gewinnbringend wäre es gewesen, superschnell einzusteigen, um ein paar Tage später die Gewinne mitzunehmen. Aber ich konnte das nicht. Vielleicht ist die Finanzkrise schuld. Damals wurde gern der Satz zitiert: Kaufe nie ein Produkt, das du nicht verstanden hast! Ich halte das zwar eigentlich für Unsinn - ich kann auch Auto fahren, ohne die Motortechnik zu verstehen - , und doch ging mir der Satz nicht aus dem Kopf.
Ich habe mir die Sache also vor jeder Investition ganz genau angeschaut. Zig sogenannte Whitepaper habe ich studiert, das sind Texte, die erklären, wie eine Kryptowährung funktioniert. Oft hat es dazu geführt, dass ich am Ende nicht investiert habe.
Mein Kollege [RedakteurIn 2] findet, das ist mein Problem. Er glaubt, sonst hätte ich gewonnen.
Klar ist: Ich habe zwar nicht gewonnen, aber immerhin Erstaunliches gelernt. Über Geld.
Zunächst einmal - erste Erkenntnis aus den Whitepapern - ist Geld nicht einfach ein Ding, sondern vor allem eine Idee. Auf der Welt gibt es wahrscheinlich wenige Ideen, die so mächtig und weltverändernd sind. Kryptowährungen sind in diesem Sinne neue Ideen. In den Whitepapern kann man Utopien und Dystopien nachlesen.
Man lernt darin aber auch, an welchen Stellen die Menschen unzufrieden sind mit dem gängigen Geld, mit Euro und Dollar. Meine zweite Erkenntnis betrifft deshalb die größte Sorge der Menschen beim Thema Geld. Sie ist und bleibt offenbar: die Inflation. Das mag banal klingen, doch die Kryptoszene war schon besessen von Inflation, bevor sie überall Thema wurde, weil sie wirklich stieg. Wobei sie sie gleichsetzt mit der Geldmenge: Je mehr Geld, desto mehr Inflation.
Dieser Zusammenhang ist zwar bei Euro und Dollar nicht so klar, wie viele Krypto-Anhänger denken. Trotzdem beruht schon der Erfolg des Bitcoin darauf, dass es keine Instanz gibt, die ihn nach Gutdünken vermehren kann. Neuere Coins wie der Baby Doge nennen sich sogar deflationär. Sie funktionieren anders als unser Geld: Statt immer wieder Geld auszugeben, wird am Anfang sehr viel erzeugt, das später weniger wird. Coins werden regelmäßig »verbrannt«. Am 1. September wurden beispielsweise zwei Billiarden Baby Doge verbrannt (von insgesamt 420 Billiarden), so wurde es jedenfalls auf Twitter angekündigt von einem niedlichen Hund in Feuerwehrkluft.
Das allerdings hat seinen Preis. Beim Baby Doge zahlt man für jede einzelne Bewegung seines Coins eine hohe Gebühr von zehn Prozent. Ein Teil dieser zehn Prozent wird direkt vernichtet. So taugt der Baby Doge nicht wirklich als Geldersatz. Denn man sollte ihn möglichst wenig bewegen. Taugt er denn als Geldanlage? Der Baby Doge hat wie einige der windigeren Kryptowährungen ein Feature: Wer drinbleibt, verdient am Drinbleiben. Ein Teil der hohen Gebühr für alle, die sich bewegen, wird nämlich an die Nutzer verteilt, die schon früher drin waren.
Positiv gewendet, ist das der Versuch, eine Art Zins zu garantieren. Das ist vielleicht die zweitgrößte Sorge der Menschen bei Euro und Dollar: dass es kaum noch Zinsen gibt. Allerdings erinnert das Ganze fatal an ein Schneeballsystem. Denn diese »Zinsen« gibt es im Fall Baby Doge nur, wenn wirklich neue Anleger den Coin kaufen oder alte Anleger ihre Coins bewegen. Alte Anleger haben dazu kaum Anreize. Also läuft alles auf eine Art Schneeballsystem hinaus: Die Sache lohnt sich nur, wenn immer mehr Leute mitmachen, und vor allem für diejenigen, die früh dabei waren. Das ist meine dritte Erkenntnis des Experiments: Die alten Abzockereien gibt es überall, auch in scheinbar ganz neuen utopischen Welten mit niedlichen Hunden.
Ich habe mich also dagegen entschlossen, diesen Unsinn zu kaufen. Er verlor dann auch nach kurzem, sehr heftigen Preisanstieg schnell an Wert. Später ging es mir bei anderen Hype-Coins ähnlich. Bitcoin allerdings habe ich gekauft und behalten. Seine Idee ist nicht perfekt, aber zumindest interessant. Er ist nicht umsonst der Platzhirsch. Womit bewiesen wäre, dass es mit dem Geld ist wie mit vielem im Leben: Es ist die gute Idee, die zählt. (Und Influencer sind überschätzt.)
[RedakteurIn 3]: Geld-Freiheit für alle!
Das Ende des Bargelds wird kommen. Das wurde mir bewusst, als ich vor ein paar Wochen durch London lief. In einem Spielwarenladen kaufte ich einen roten Doppeldeckerbus als Geschenk für unseren Kleinsten. Die Frau an der Kasse aber wollte mein Bargeld nicht. Tatsächlich schien kaum ein Geschäft in London die britischen Pfund haben zu wollen, die ich mir am Automaten gezogen hatte. Oft hieß es: Nur Kartenzahlung. Kein Wunder, dass die Londoner inzwischen 40 Prozent weniger Bargeld abheben als noch vor der Pandemie.
Was in London passiert, passiert bald auch bei uns, da bin ich mir sicher. In der britischen Hauptstadt eilt man uns bloß voraus, auf dem Weg bergab in die seltsame Zukunft. Ich jedenfalls werde das Bargeld vermissen, wenn es eines Tages weg ist.
Stellen Sie sich vor, Sie wären in einem autoritären Staat geboren und forderten als Dissident die Machthaber heraus. Sie müssten sich vor deren Schergen verstecken. Aber das Regime hat Ihre Konten gesperrt. Und selbst wenn Sie sich ein neues Konto einrichten könnten, wer würde sich trauen, Ihnen Geld zu überweisen? Noch schlimmer: Wer würde sich trauen, Geld anzunehmen, das nachprüfbar von einem Staatsfeind stammt?
Zum Glück kennen Sie einen Ausweg: Sie zahlen cash. Das ist nicht zurückzuverfolgen und kann vom Staat nicht gesperrt werden. Wenn es kein Bargeld gäbe, man müsste es erfinden.
Bargeld ist eine Anonymisierungssoftware. Die sogenannten Cypherpunks wussten das. Unter diesem Namen schlossen sich Anfang der Neunzigerjahre Programmierer und Aktivisten zusammen und propagierten den Einsatz von Verschlüsselungstechnik zum Wohle der Menschen. Einer von ihnen, Eric Hughes, schrieb 1993 im Cypherpunk-Manifest: »Die Wahrung der Privatsphäre setzt in einer offenen Gesellschaft anonyme Zahlungsmittel voraus. Bis jetzt war hauptsächlich Bargeld ein solches Mittel.«
Bis jetzt. Die Digitalisierung scheint unerbittlich. Auch das Bargeld wird ihr irgendwann zum Opfer fallen. Und mit dem Bargeld die Anonymität.
So dachte ich jedenfalls lange. Bis ich mich mit Kryptowährungen beschäftigt habe. Ich habe 500 Euro investiert für unser Anlagespiel. Anders als [RedakteurIn 1] und [RedakteurIn 2] habe ich leider keine Gewinne gemacht. Unser Spiel habe ich verloren. Aber ich habe dabei etwas gelernt: Kryptografie ist eine geniale Maschine, die die Anonymität doch wieder ermöglicht. »Wir schützen unsere Privatsphäre«, schrieb der Krypto-Punk Hughes vor fast 30 Jahren in seinem Manifest, unter anderem »mit elektronischem Geld«.
Mit »elektronischem Geld« meinte er natürlich nicht Apple Pay. Auch nicht die Mastercard. Staat und Bank können meine Geschäfte nachvollziehen, wenn ich sie mit diesem elektronischen Geld tätige. Bei meiner Suche nach einer Anlage für unser Spiel aber bin ich auf sogenannte Privacy-Coins gestoßen. Einer heißt Monero. Er kommt dem elektronischen Geld, von dem Hughes träumte, nahe: Mehrere unterschiedliche Verschlüsselungen werden so miteinander verschraubt, dass bei einer Zahlung jedem Nutzer immer bloß die Daten offenbart werden, die er kennen muss, damit die Zahlung abgewickelt werden kann und das System betrugssicher bleibt. Wenn ich Ihnen morgen die 0,62 Monero schicke, die in meiner digitalen Geldbörse (genannt: Wallet) liegen, dann wird vermutlich keiner herausfinden können, von wem Sie das Geld bekommen haben.
Was ich auch gelernt habe: Den Behörden ist diese Verschwiegenheit unheimlich. Auch Anbieter auf dem Krypto-Markt müssen darum ein sogenanntes KYC durchführen. Die Abkürzung steht für »know your customer«: Die großen Plattformen, auf denen man Kryptowährungen kaufen kann, sind verpflichtet, die Identität ihrer Kunden festzustellen, wenn sie legal arbeiten wollen. Erst im Sommer hat die große Plattform Binance ihre KYC-Regeln verschärft. Inzwischen muss dort jeder ein Bild seines Personalausweises hochladen. Die Regeln sollen bald noch strenger werden: Dann dürfen die Plattformen auch kein Geld mehr an anonyme Wallets senden oder von anonymen Wallets empfangen.
Wer das umgehen will, kauft seine Monero nicht bei einem großen Anbieter, sondern von privat. Und wer gar keine Spuren hinterlassen will, kann die Monero sogar bar bezahlen, wenn er einen Verkäufer findet, der sich darauf einlässt. Ich bin tatsächlich zweimal durch halb Deutschland gefahren für ein solches Geschäft. Beim ersten Mal wartete ich lange auf dem Marktplatz einer deutschen Provinzstadt in Norddeutschland, der Verkäufer aber tauchte nicht auf. Beim zweiten Mal traf ich einen Mann an einem Kleinstadtbahnhof in Niedersachsen. Wir nahmen in der Herbstkälte Platz auf der Außenterrasse eines Gasthauses. Ich gab ihm 100 Euro in bar, und er wies mir die Monero an von seinem Notebook, das groß war wie ein Grabstein. Allerdings wollte er zuvor meinen Ausweis sehen. Auch er bestand auf sein persönliches KYC, um sich selbst vor Betrug zu schützen. Manche Verkäufer verzichten darauf, erklärte er mir, aber verlangen dafür einen hohen Aufschlag.
Einiges spricht dafür, Kryptowährungen strenger zu regulieren. Das hilft uns im Kampf gegen Geldwäsche. Aber wie weit wollen wir gehen? Wenn ich in einem Spielzeugladen ein Geschenk kaufe und bar bezahle, dann ist der Verkäufer nicht verpflichtet, vorher meinen Personalausweis einzuscannen. Was aber, wenn der Spielwarenladen mein Bargeld nicht mehr akzeptiert? Und ich mit Monero zahlen will? Muss ich dann plötzlich meine Identität ausweisen?
Ich hoffe nicht, dass es so kommen wird. Ich hoffe, dass solche Kryptowährungen wie Monero das neue Bargeld werden. Bargeld ist ein Kompromiss zwischen Freiheit und Sicherheit, auf den wir uns geeinigt haben. Wie viel Freiheit wollen wir? Wie viel Sicherheit brauchen wir? Viele solcher Kompromisse werden gerade abgewickelt, weil uns Sicherheit so wichtig geworden ist. Doch ein wenig Freiheit sollten wir uns selbst in der digitalisierten Welt bewahren. Auch das habe ich gelernt.
[RedakteurIn 2]: Wer nimmt meine Coins?
Thorsten Edler arbeitet beim Berliner Landesverband des BUND, und er ist ein Pionier: Vor sieben Jahren hat er mit dafür gesorgt, dass die Naturschutzorganisation Spenden in Bitcoin annehmen konnte. Fast 300 Spenden kamen so rein, in Summe 120 Bitcoin. Aber damit ist es vorbei. Weil sich bei einigen festgesetzt habe, dass das Bitcoin-Netzwerk so viel Energie verbrauche, dass es umweltschädlich sei, habe man sich »innerverbandlich neu ausgerichtet«. Dabei, sagt Edler, brauche man doch auch Energie, um Bargeld zu produzieren!
Es ist nicht leicht, Organisationen zu finden, die Spenden in Kryptowährungen annehmen. Ich suche danach, weil ich im Krypto-Experiment gut verdient habe: 435 Euro Gewinn, also 87 Prozent Plus. Das ist meine Bilanz nach knapp sechs Monaten. Mit zehn eher unbekannten Coins habe ich es geschafft, meinen Einsatz beinahe zu verdoppeln.
Der Erfolg lässt sich eher durch Zufall erklären als durch Schläue. Meine Investitionen habe ich nur an einem Kriterium orientiert: Geben die Coins plausibel vor, nachhaltiger als der Bitcoin zu sein? Kommen sie also mit weniger Energie aus und schaden dem Klima weniger? Dass es dann so gut läuft, habe ich weder erwartet, noch kann man daraus Schlüsse für künftige Investitionen ziehen. Da ist zum Beispiel Avalanche, eine Kryptowährung, deren zugrunde liegende Blockchain-Technologie laut ihren Erfindern »blazingly fast, low cost, & eco-friendly« ist. Klingt gut! Also habe ich im August einfach mal 50 Euro investiert. Danach hat sich ihr Wert auf fast 300 Euro annähernd versechsfacht. Der Grund dafür ist mir bis heute schleierhaft.
Am Anfang des Experiments haben wir vereinbart, dass wir am Ende unseren Überschuss spenden. Weil ich meinen Gewinn mit nachhaltigen Coins verdient habe, wäre es doch konsequent, ihn nun für mehr Umweltschutz einzusetzen. Beim BUND Berlin geht es nicht mehr. Also ein Anruf bei Greenpeace:
»Kann ich bei Ihnen Celo spenden?«
»Ce-äh? Das Wort muss ich noch mal hören.«
»C-E-L-O. Eine Kryptowährung.«
»So was nehmen wir nicht. Geht nicht. Nee.«
So ist es überall. Nach Auskunft des Deutschen Spendenrats akzeptieren dessen Mitglieder derzeit keine Kryptowährungen, berichtet mir der Geschäftsführer. Zu volatil, zu schwer zu buchen. Was schreibt man auf die Spendenbescheinigung? Und dann ist da die Gefahr eines Reputationsschadens, weil man nicht sicher sein könne, woher eine Krypto-Spende genau komme. Am Ende von der Mafia. Oder einem Waffenhersteller. Oder einem rechtsextremen Netzwerk. Lieber nicht.
Nur beim WWF Deutschland sieht man das ein bisschen anders. Die Organisation nimmt zwar auch keine Krypto-Spenden entgegen. Allerdings kann man beim WWF gerade sogenannte Non-Fungible Animals kaufen, etwa einen von 447 Ostsee-Schweinswalen für 169 Euro. Es handelt sich um virtuelle Krypto-Kunstwerke, die einzigartig sind, weil sie in einer Blockchain gespeichert sind. Und zwar in der Polygon-Blockchain, laut WWF »explizit die ökologischste Blockchain«. Rund 221.000 Euro hat der WWF bereits mit den »einzigartigen Unikaten« eingenommen. Das Geld soll zum Schutz der lebenden Vorbilder eingesetzt werden.
Soll ich das machen? Immerhin kann man so einen virtuellen Schweinswal auch mit der Kryptowährung Polygon bezahlen. Der Wal selbst ist dann allerdings auch Krypto, kann im Wert steigen, ist wiederverkäuflich, also eine Art Geldanlage. Ich entscheide mich dagegen. Das wäre ein neues Krypto-Experiment, keine echte Spende. Also tausche ich meine Coins in Euro und lasse mir 935 Euro auszahlen, die jetzt gespendet werden. Ganz klassisch, per Banküberweisung.
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Gewinner und Verlierer
1. [RedakteurIn 2]: DIE GRÜNE STRATEGIE hat 500 Euro investiert in: Algorand, Cardano, Iota, Avalanche, Stellar Lumens, Hedera Hashgraph, EOS, Tron, Celo, MCO2-Token
Endstand des Depots: 935,79 Euro
2. [RedakteurIn 1]: DIE INFLUENCER-STRATEGIE hat 500 Euro investiert in: Bitcoin, Binance, Maker, Dogecoin
Endstand des Depots: 597,58 Euro
3. [RedakteurIn 3]: DIE SHITCOIN-STRATEGIE hat 500 Euro investiert in: Olympus, CryptoBlades, Monero, Zcash, Australian Safe Shepherd, Cumrocket
Endstand des Depots: 317,74