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Unterm Rad

von Angelika Slavik und Max Hägler
Süddeutsche Zeitung vom 13.03.2021

Sie sehen hier den reinen Text in der anonymisierten Form für die Jury. Bilder, Layout oder multimediale Umsetzung sind beim Deutschen Journalistenpreis kein Bewertungskriterium. Allein das Wort zählt.

Unterm Rad

VW wird kommende Woche wieder astronomische Umsätze präsentieren. Alles super? Von wegen. Der deutsche Weltkonzern quält sich mit Eitelkeiten, Skandalen und Machtkämpfen. Eine Posse in acht Kapiteln

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Neulich hat Herbert Diess zum ersten Mal getwittert. Es war keine spontane Idee, schon Wochen zuvor hatte er angekündigt, dass er sich nun auf Twitter wagen wolle. Besser kommunizieren mit den Leuten da draußen. Direkter austauschen. Macht man heute so als CEO von Weltrang.

Man darf annehmen, dass sehr viele VW-Kommunikationsexperten sehr intensiv beraten haben, was ein geeigneter erster Tweet wäre. Was Diess, 62, schreiben und wie er gut rüberkommen könnte. Irgendwie, nun ja, cool. Als Ergebnis dieser Beratungen schrieb Diess, 20. Januar, 16 Uhr 31: „Hallo Twitter!“ Ausgezeichneter Einstieg. Dann weiter: Er sei hier, um sich künftig bei vielen Diskussionen einzubringen, vor allem zu politischen Fragen. „Und natürlich, um dir Marktanteile abzunehmen, @elonmusk!“

Die Kommunikationsberater haben alles richtig gemacht, also theoretisch. Wenn es gut gelaufen wäre, hätte Tesla-Gründer Musk, 49, nun ebenso keck auf Diess’ Tweet geantwortet. Es hätte ein kleines Scharmützel gegeben, die Zeitungen hätten so etwas geschrieben wie „Musk lässt sich von Diess herausfordern“, eine sehr gute Botschaft für die Öffentlichkeit. Ein hervorragender Start ins neue Jahr. Ha!

Aber, was soll man sagen, manchmal schmerzen die kleinen Niederlagen am meisten. Elon Musk antwortete: gar nicht. Er ließ den Chef des einst größten Autoherstellers der Welt aussehen wie ein lästiges Groupie.

Es gibt zwei Dinge, die man über Volkswagen in diesen Zeiten wissen muss, man erkennt sie beide sehr gut an dieser Episode. Erstens, wenn es um moderne Technologie geht, ist der Konzern nicht gerade vorne dran, das gilt für Twitter genauso wie für Elektroautos. Und zweitens: Volkswagen hat einen Hang zur, milde ausgedrückt, unglücklichen öffentlichen Darstellung.

Volkswagen, das ist nicht irgendein Konzern. In der kommenden Woche wird er starke Zahlen präsentieren, mal wieder, trotz der Corona-Krise. Wichtiger noch: kein anderes Unternehmen steht so sehr für Deutschland wie Volkswagen. Seine Geschichte ist von außergewöhnlichen Leistungen und spektakulärem wirtschaftlichem Erfolg geprägt – und von historischer Schuld. Genau wie die der Bundesrepublik. Der Käfer war das Sehnsuchtsobjekt der Nachkriegsgeneration, später wurde der Golf das Auto. Eine Ikone. Jeder ist mindestens mal mitgefahren.

Volkswagen ist ein globaler Wirtschaftsfaktor, 670 000 Menschen weltweit arbeiten für den Konzern. Mehr als neun Millionen Autos, Busse und Lastwagen baute das Unternehmen 2020, Marken wie Porsche, Scania, Audi, Lamborghini und natürlich die Kernmarke VW selbst gehören zum Konzern. Er beschert allein niedersächsischen Kommunen Milliarden an Steuereinnahmen. Es gibt kaum Größeres in der Autowelt als Volkswagen.

Aber wie lange noch?

Man würde annehmen, dass ein so großer Laden mit kühler Professionalität geführt wird, strategisch, abwägend, nüchtern, rational. Aber Wolfsburg ist eine Hochburg von Intrigen und Eifersüchteleien, ein so stetes wie skurriles Theater. Deshalb hechelt der einst so stolze deutsche Technologieführer dem Konkurrenten Tesla und seinem demonstrativ lässigen Gründer Elon Musk nicht nur bei Twitter hinterher: Man hat die mobile Revolution verpasst, ringt mit Elektroautos und Digitalisierung. Volkswagen kann sich immer nur mit halber Kraft auf den technologischen Fortschritt konzentrieren – weil der Konzern immer wieder auch mit sich selbst beschäftigt ist. Mit seinen Dramen. Mit seinen Eitelkeiten. Mit seinen Peinlichkeiten.

Kein anderes Unternehmen dieser Größenordnung leistet sich ein solches Maß an Selbstbespiegelung. Schlagzeilen aus den vergangenen zwölf Monaten: Volkswagen kauft Manager aus dem Dieselprozess frei, der VW-Chef nennt seinen Aufsichtsrat „kriminell“, der VW-Chef steht vor dem Rauswurf. Es gibt eine Sicherheitspanne beim Golf 8, das Elektroauto ID.3 hat keine funktionierende Software, der VW-Chef verkleidet sich für die sozialen Netzwerke als Batman.

So läuft ein Jahr mit Volkswagen – dass die Pandemie es nicht einmal in die Auflistung der größten Turbulenzen dieses Unternehmens im Jahr 2020 schafft, zeigt das Drama-Niveau, das man in Wolfsburg zuverlässig abliefert. Das ist, zumindest aus der Zuschauerperspektive, durchaus unterhaltsam. Aber während VW um sich selbst kreist, zieht die Konkurrenz davon. Gemessen an den Absatzzahlen hat Toyota VW wieder überholt, die Japaner sind nun der größte Autohersteller der Welt. Aber schlimmer noch: Tesla ist an der Börse, dort wo auf die Zukunft gewettet wird, fünfmal so viel wert wie VW.

Die Frage, die sich aufdrängt: Warum ist Volkswagen so oft mehr Seifenoper als Weltkonzern?

Eine Annäherung in acht Kapiteln.

I. Die Macht

Bernd Osterloh sitzt in einem pandemiekonform großen Konferenzzimmer in der Zentrale in Wolfsburg. Das Licht ist grell, die Möbel haben ihre beste Zeit hinter sich. Osterloh gießt sich Kaffee ein. Hinter ihm an der Wand hängen fünf große Plakate, auf jedem einzelnen davon ist er selbst zu sehen. Auf einem steht: „Bewegte Zeiten brauchen Menschen, die was bewegen.“ Osterloh, 64, ist der Chef des Konzernbetriebsrats. Er vertritt die Interessen der fast 700 000 VW-Mitarbeiter weltweit. Es gibt wenig Zweifel daran, dass er ziemlich viel bewegt, wenn er will. Manche nennen ihn deshalb den wahren König von Wolfsburg: Weil man in diesem Laden überhaupt gar nichts bekomme, wenn er dagegen sei. Aber wenn man ihn fragt, ob das denn stimme, ob er hier der wahre Herrscher sei, dann setzt er sein unschuldigstes Gesicht auf und sagt: „Der Vorstandschef von Volkswagen heißt Herbert Diess. Also hat er die Macht, ist doch klar. Oder?“ Osterloh lacht.

Gleiche Woche, anderer Abend, ein Separee im Rothehof in Wolfsburg, dem konzerneigenen Gästehaus von Volkswagen. Herbert Diess isst zu Abend. Es gibt glutenfreies Brot, drei Gänge und einen privaten Kellner, der alle Wünsche erfüllt, schon bevor man sie ausgesprochen hat. Wer hat die Macht bei Volkswagen? Diess sagt: „Bernd Osterloh.“

Tatsächlich ist der Betriebsrat bei Volkswagen traditionell viel einflussreicher als in anderen Unternehmen. Man kann sagen, dass VW-Vorstände verschiedene Strategien ausprobiert haben, um damit umzugehen. Anfang der 2000er-Jahre zum Beispiel führte diese Konstruktion mal dazu, dass VW den damaligen Betriebsrat mit Reisen und Prostituierten bei Laune hielt – eine Episode, die in der an Skandalen reichen Unternehmenschronik heute bekannt ist als „die Lustreisen-Affäre“.

Doch noch keine Kombination war so explosiv wie die von Diess und Osterloh.

Wenn sie sich nicht einig sind, richten sich beide gerne öffentlich aus, was man in anderen Unternehmen nicht einmal hinter verschlossenen Türen formulieren würde. Diess reiße „mit seinem Hintern“ alle Gesprächsbrücken ein, lässt Osterloh wissen, als Diess sich Sparmaßnahmen überlegt, ohne das mit ihm abzusprechen. Er kämpfe ja in Wolfsburg unermüdlich gegen „verkrustete Strukturen“, teilt Diess der Welt mit, und es ist nicht besonders schwer zu verstehen, wen er für den Inbegriff der verkrusteten Struktur hält. Als der neue Golf anlief, schrieb der Betriebsratschef in der Mitarbeiterzeitung: Die Zahlen seien „ein Trauerspiel“. Er weiß natürlich, dass das überall zitiert wird. Alle paar Monate geht das so, ständig gibt es Theater.

Muss das sein?

Osterloh, in im Konferenzraum, sagt: „Wenn etwas meine Wählerschaft betrifft, reagiere ich.“ Aber weil bei solch einem großen Unternehmen alles seine Wählerschaft betrifft, ist die Grenze zwischen Reagieren und Regieren mitunter fließend.

Diess, in dem edlen Separee, sagt, da sei auch „viel Folklore dabei“. Das klingt ein bisschen charmanter, als er vielleicht ist. Im Frühjahr 2020 zum Beispiel verlor Diess die Nerven und warf seinen eigenen Aufsichtsräten „Rechtsbruch“ vor, weil ständig Interna nach außen durchgestochen würden. Tagelang wurde daraufhin über seinen Rausschmiss diskutiert. Er durfte nur bleiben, weil er sich öffentlich beim Aufsichtsrat entschuldigte. Also auch bei Osterloh.

Vor ein paar Wochen zettelt er wieder eine Machtprobe an. Diesmal versucht er eine vorzeitige Vertragsverlängerung und ein paar Personalien zu erzwingen. Der Aufsichtsrat will sich nicht erpressen lassen – plötzlich hängt Diess’ Zukunft als VW-Chef abermals am seidenen Faden. Kann er nicht anders? Die Wahrheit ist: Diess versteht die Provokation als Gestaltungsinstrument. Er glaubt, wenn sich niemand aufregt, würde sich auch nichts verändern. Als sie sich endlich einigen, postet Diess in den sozialen Netzwerken das Video von der Testfahrt, bei der er das Batman-Kostüm trägt. Einsamer Kämpfer gegen das Unrecht, das gefällt ihm.

II. Die Familie

Zu den Widersprüchlichkeiten dieses Konzerns gehört, dass er, bei aller Weltgeltung, doch ein Familienunternehmen ist. Die Porsches und die Piëchs, zwei Stämme der gleichen Familie, prägen und kontrollieren Volkswagen bis heute. Es ist kompliziert für alle Seiten, wie immer, wenn Geld und Gefühle gleichzeitig im Spiel sind.

Wenn man sich die schönen Seiten des Reichtums ansehen will, kann man nach Österreich fahren. In Zell am See liegt das Schüttgut, der Stammsitz der Familie. Ein Haupthaus, zwei Wirtschaftsgebäude, eine Hauskapelle, erhöhte Lage. Diskret, nicht überkandidelt, gut abgeschirmt. In Zell am See fühle er sich am wohlsten, hat Wolfgang Porsche, 77, mal gesagt. Heute gehört ihm auch das Schloss Prielau, in dem man hervorragende Kalbfleischpflanzerl essen kann, wenn nicht gerade Lockdown ist. Es sei ein Liebhaberprojekt, das Porsche vor allem deshalb finanziere, weil er selbst gerne dort sei, erzählt man sich. So oder so ist Zell am See der Ort, an dem das Geld dieser Familie Glück bringt.

Aber natürlich brachte es auch Schmerz.

Die Porsches und die Piëchs sind Leute großer Zahlen. Gemeinsam sind sie Mehrheitseigner von Volkswagen. Mehr als 53 Prozent der Stimmrechte gehören ihnen. Ein Milliardenvermögen. Gut hundert Mitglieder hat diese Dynastie mittlerweile.

Beginnen muss man diese Familiensaga bei Ferdinand Porsche, 1875 als Sohn eines Spenglers in Böhmen geboren. Sein Büro konstruierte ab 1934 im Auftrag der Nazis einen Kleinwagen, der als Käfer berühmt wurde. Und er baute dafür auch die Fabrik in Wolfsburg. Seinen Schwiegersohn Anton Piëch machte er zum Fabrikchef.

Nachdem sich die Wirren der Nachkriegszeit gelegt hatten, teilte sich alles auf für einige Jahrzehnte: Ferdinand Porsches Tochter, Louise Piëch, vertrieb fortan Volkswagen in Mitteleuropa, hoch erfolgreich. Ihr Bruder Ferry Porsche baute in Stuttgart den Sportwagenhersteller auf.

Spätestens jetzt wird es kompliziert. Eifersucht und Missgunst halten Einzug. Was vor allem an Ferdinand Piëch liegt, einem Sohn von Louise. Er ist ein begabter Ingenieur, mitunter rücksichtlos auch im Privaten. Als er bereits verheiratet und Vater von fünf Kindern ist, zeugt er drei weitere Nachkommen mit Marlene Porsche. Der Name weist darauf hin: Es ist die Ehefrau seines Cousins. Die folgenden Konflikte kann man sich ausmalen. Beide lassen sich scheiden, leben zwölf Jahre mehr oder weniger zusammen, in der Zeit bekommt aber auch das Kindermädchen der Familie einen Sohn und eine Tochter von ihm. Viele Jahre später wird er noch einmal heiraten, Ursula, auch sie lernt er kennen, weil Marlene Porsche sie als Gouvernante eingestellt hatte. Mit Ursula bekommt er drei weitere Kinder und holt sie zwischenzeitlich in den Aufsichtsrat des Konzerns. Weil es im Clan ständig Zoff gibt, treten Anfang der Siebziger alle Porsches und Piëchs von Managementpositionen der gemeinsamen Firmen zurück.

Ferdinand Piëch aber ist vom Ehrgeiz zerfressen, vielleicht auch weil sein Name nicht solche Weltgeltung hat wie jener der Verwandtschaft. Es gebe in der Familie die „Hausschweine“ und die „Wildschweine“, sagt er mal und meint: Die Porsches, die mit dem guten Namen, würden gefüttert, wogegen er, ein Wildschwein, sich die Nahrung selbst holen müsste.

Er sucht den Umweg, ist bei Audi in Ingolstadt so erfolgreich, dass er zur Muttergesellschaft nach Wolfsburg geholt wird, dorthin also, wo sein Vater schon Fabrikchef war. Wesentliche Anteile hält er zu diesem Zeitpunkt zwar nicht an VW, aber er hat die Macht, auch wegen seiner ruppigen Art. „Mein Harmoniebedürfnis ist begrenzt“, sagt er über sich selbst.

Doch ist er stets Diplomat, wo es ihm nützt: beim Betriebsrat. Auch deshalb hält er sich, standardisiert die Produktion, verbessert das Finanzergebnis – und macht Volkswagen immer größer: vier Marken waren es zu Beginn seiner Zeit, zwölf werden es am Ende sein.

Und er profitiert von dem Coup, den die Topmanager der Familienfirma Porsche Mitte der 2000er-Jahre aushecken: Der Sportwagenbauer ist so erfolgreich, dass man sich zutraut, den viel größeren Volkswagen-Konzern zu übernehmen. Das gewagte Spiel scheitert, Volkswagen dreht den Spieß um, übernimmt die Porsche AG. Das Ergebnis ist dasselbe: Die Familie ist plötzlich Mehrheitseigentümerin des größten Industriekonzerns Europas.

Auch die große Krise vor dem Dieselskandal, der Konflikt um die Zukunft des damaligen Vorstandschefs Martin Winterkorn, ist ein Familiendrama. Piëch versucht, Winterkorn öffentlich zu demontieren, Wolfgang Porsche will dessen Verbleib im Amt. Am Ende zieht sich Piëch zurück, verkauft seine Anteile an andere Familienmitglieder. 2019 stirbt er, von einer Aussöhnung ist nichts bekannt. Seine letzte Ruhe aber hat dem Vernehmen nach auch er nahe Zell am See gefunden. Dort wo sich diese Familie immer noch am wohlsten fühlt.

III. Die Politik

Um nachzuvollziehen, wieso es durchaus komisch ist, wenn Stephan Weil (SPD) gleich die Eigenartigkeit von Volkswagen beschreiben wird, muss man Folgendes wissen: Im Büro des Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen befinden sich nicht nur naheliegende Devotionalien wie VW-Spielzeugautos. An der Wand hinter seinem Schreibtisch hängt zum Beispiel das Gemälde einer Kuh, einer schwarz-weiß-gescheckten. Streng genommen ist nur der Kuh-Hintern zu sehen und eine Wiese voller Hinterlassenschaften. Und an der anderen Wand hängt, man kann es wirklich nicht anders sehen, eine Vagina aus Streichhölzern. Der Mann hat definitiv einen Sinn für Eigentümliches, in allen Belangen.

Wie ist es dahingehend mit VW?

„Volkswagen ist aus verschiedenen Gründen ein ungewöhnliches Unternehmen. Von der Größe her, der Struktur, der inneren Organisation, der Staatsbeteiligung mit Gesetz, der Familie, der Arbeitnehmerschaft“, sagt Weil.

Normalerweise ist es ja so in deutschen Konzernen: Es gibt Eigentümer und Aufsichtsräte, die setzen einen Vorstand ein, idealerweise im Einvernehmen mit dem Betriebsrat, das schon, aber letztlich sind die Arbeitnehmer immer im Nachteil. Und der Staat hat gar nichts mitzureden.

Dass es bei Volkswagen so anders ist, liegt an der britischen Militärregierung. Als die im Herbst 1949 dem deutschen Staat die Treuhänderschaft übertrug, wurde auch festgelegt, dass die Gewerkschaften einen maßgeblichen Einfluss erhalten, finanzierten sie doch einst die VW-Fabrik mit. 1960, bei der Teilprivatisierung, wurden diese Sonderrechte dann in ein einmaliges Gesetz gegossen, ins VW-Gesetz, das trotz diverser Angriffe, selbst von der EU-Kommission, weiter Bestand hat – Niedersachsen hält bis heute 20 Prozent.

Deshalb hat dieser Konzern immer auch eine politische Dimension, zumal wenn es um Arbeitsplätze im Stammland geht: Der Ministerpräsident sitzt im Aufsichtsrat, gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern rund um Betriebsrat Osterloh hat er die Stimmenmehrheit. Weil sagt, ein wesentlicher Teil seiner Arbeitszeit ginge für Volkswagen drauf. In der ganz harten Zeit nach dem Auffliegen des Dieselskandals im Herbst 2015 seien es auch mal 80 oder 90 Prozent gewesen.

Der Dieselbetrug, wahrscheinlich der größte Industrieskandal der Nachkriegsgeschichte: Über Jahre verkaufte Volkswagen Dieselautos, die weit mehr Dreck ausstießen, als man Behörden, Kunden und Öffentlichkeit glauben ließ. „So schlimm wie VW haben es die anderen Firmen nicht getrieben“, sagt Weil. Wieso? „Ein unterentwickeltes Rechtsbewusstsein und ein völlig übertriebenes Selbstbewusstsein.“ Die Affäre hat Niedersachsen schwer erschüttert. Wegen der Sorge um die mehr als 200 000 Arbeitsplätze im Land, die direkt oder indirekt an VW hängen, wegen der Folgen für die Finanzen der Kommunen, wenn die Steuereinnahmen einbrechen. Aber vor allem auch weil Volkswagen als identitätsstiftend verstanden wird. „Wenn es Volkswagen gut geht, geht es Niedersachsen gut.“

IV. Das Gefühl

Um zwei Uhr morgens reden Menschen nur noch von den wirklich wichtigen Dingen, also redet Bert von Frauen und von Volkswagen. Mit beiden ist es manchmal nicht leicht.

Noch ein Bier, noch eine Kippe.

Die Bierbar 38 ist einer dieser Orte, denen man bei Tageslicht die Existenzberechtigung absprechen möchte, die aber nachts ein Faszinosum werden. Zwei Spielautomaten, ein paar Barhocker, ein winziges Klo. Und Sätze wie: „Volkswagen bin ich seit 35 Jahren treu. Hab ich mit keiner Frau geschafft.“

VW ist nicht einfach nur ein Konzern, heißt es, das ist ein Lebensgefühl. Stimmt das? Bert muss es wissen, er arbeitet in der Fertigung, so wie wirklich alle, die man in dieser Nacht hier trifft. Er bestellt noch ein Bier, ist ja heute fast umsonst: Vorhin hat er 40 Euro beim Spielautomaten gewonnen, jetzt hat er die Taschen voller Kleingeld. Hat er eigentlich gar nicht nötig. „Volkswagen kümmert sich gut, Bezahlung, passt alles.“ In jüngeren Jahren haben sie ihn auch mal zur Fortbildung in die Welt geschickt, „das hast du auch nicht überall“. Ein Bier geht noch, er komme eben aus der Nachtschicht, sagt er, natürlich ist „eben“ ein dehnbarer Begriff. Drei Stunden vorher war er schon in der „Tunnel-Schänke bei Bruno“. Das Nachtleben in Wolfsburg ist schon vor dem Lockdown überschaubar, da sieht man sich in einer Nacht auch zweimal. Wenn VW so ein klasse Laden ist, wie konnte dann der Dieselskandal passieren? Bert zieht an der Kippe, „das haben die Oberen angestellt. Bei uns unten hätte es das nicht gegeben. Bei uns gibt’s nur ehrliche Arbeit. Qualität.“

Ein paar Tage zuvor, Rathaus. Klaus Mohrs ist seit 2012 Bürgermeister dieser Stadt mit ihren 125 000 Einwohnern. Er versucht gar nicht erst so zu tun, als würde sich hier nicht alles um VW drehen. „Das Wachstum der Stadt und das Wachstum des Konzerns verlaufen nicht ohne Grund parallel“, sagt er. An der Wand ein Luftbild: oben das VW-Werk, in dem mehr als 60 000 Menschen arbeiten, unten die Kernstadt, dazwischen der Mittellandkanal und die Bahn. Das Größenverhältnis zwischen oben und unten ist ungefähr eins zu eins. Das Werk ist flächenmäßig die größte Fabrik der Welt: Größer als die Produktionsanlagen von Samsung oder Apple, größer als die Raketensilos der Nasa. 6,5 Quadratkilometer, samt Currywurst-Metzgerei. Die Busfahrpläne der Stadt richten sich nach den Schichtwechseln im Werk.

Tatsächlich gibt es Wolfsburg nur, weil es Volkswagen gibt: „Stadt A“ nannten die Nazis den Ort zuerst, an dem die Arbeiter ihren Platz finden sollten. Nirgendwo in der Welt sind das Automobil und die Menschen so eng verbunden wie hier.

Das führt im Alltag zu skurrilen Auswüchsen. Bei Volkswagen werden die Nummernschilder an den Dienstautos nach einem bestimmten System vergeben. Wer das System kennt, kann also am Autokennzeichen ablesen, ob derjenige, der drin sitzt, schon zum gehobenen Management gehört oder nicht. Oder was der Ehepartner verdient – in der Topliga gibt es Dienstautos auch für die Partner der VW-Mitarbeiter. Bis vor Kurzem waren sie durch ein „E“ Nummernschild besonders einfach zu erkennen: Hier parkt die Frau Managergattin.

Weil in Wolfsburg fast jeder in irgendeiner Form für Volkswagen arbeitet, kennen auch alle den Nummernschild-Code. „Das hat Auswirkungen auf das ganze Privatleben“, sagt eine, die früher für VW gearbeitet hat. Wenn sich zwei um den Parkplatz vor dem Supermarkt streiten, ist immer klar, wer hier wem hierarchisch übergeordnet ist. Wenn die Kita-Plätze knapp sind, wissen auch die Erzieher, welches Kind Topmanager-Nachwuchs ist und welches nicht. In Wolfsburg gibt es vor Volkswagen kein Entkommen.

Das Kunstmuseum, die Neue Schule, das Planetarium, der VfL Wolfsburg: Alles gehört VW oder wird zumindest gestiftet und gesponsert. Im Theater hat die Hinterbühne eine riesige Drehscheibe: Damit man Autos vorführen kann.

Wolfsburg ist eine VW-Blase – deshalb wollen viele junge Menschen um nichts in der Welt hier leben. Softwareentwickler zum Beispiel, die sich ihre Arbeitgeber aussuchen können. VW muss überdurchschnittlich gut zahlen und bekommt doch nicht genug Topleute, auch das ist ein Grund für die Probleme mit der Digitalisierung der Autos: Diese Stadt, die nur wegen und nur für diesen Konzern existiert, ist ihm strategisch ein Nachteil.

Eine Zeit lang gab es deshalb sogar eine Kampagne von VW in der Bahn: Man könne ja auch super in Berlin wohnen und in Wolfsburg arbeiten, sei doch klasse hier im Zug. Nein?

V. Die Verantwortung

Die Eingänge auf den alten Werksgebäuden sind mit Bildern und Symbolen verziert, an vielen Stellen sind Teile abgeschlagen: Überall dort, wo früher mal ein Hakenkreuz war. Volkswagen, da muss man sich nichts vormachen, haben die Nazis erfunden. Was macht so eine Vergangenheit mit einem Konzern – und lernt er etwas daraus?

Eine interne Managementtagung vor knapp zwei Jahren, Herbert Diess will seine Leute zu mehr Ebit, also zu mehr Gewinn antreiben. Er sagt: „Ebit macht frei.“ Das ist nah dran an „Arbeit macht frei“, dem perfiden Nazi-Spruch über den Toren der Konzentrationslager.

Diess ist der bewussten Geschichtsklitterung absolut unverdächtig. Aber bisweilen verliert er vor lauter Fokus aufs Geschäft den Blick für das Gesamtbild. Als er einmal von einem BBC-Journalisten gefragt wird, was er zur Situation der Uiguren in China zu sagen habe, die in unmittelbarer Nähe eines VW-Werks in Umerziehungslagern gefoltert werden, sagt er, darüber wisse er nichts. Als er der Zeit seine Veränderungsstrategie für Wolfsburg erklärt, sagt er, er habe sich von den Erfahrungen Mao Zedongs inspirieren lassen – einem Diktator, der Millionen Menschenleben auf dem Gewissen hat.

Warum ist das so schwer mit der gesellschaftlichen Verantwortung? Kann man das wirklich nicht besser schaffen als Weltkonzern? Es ist ja keineswegs so, dass sie bei Volkswagen die historische Schuld ignorieren würden.

Ulrike Gutzmann ist eine Frau mit Brille, kurzen Haaren und einer Engelsgeduld. Sie ist die Unternehmensarchivarin, sie hat die Schuld katalogisiert und analysiert, sie versucht, die Konzernmanager für die Geschichte zu sensibilisieren.

Gutzmann eilt über einen langen Gang in der Fertigungshalle. Die Nazis ließen ihn als Besucherbrücke anlegen, damit möglichst viele ihre Industrietaten bewundern können. Golf-Karosserien schweben vorbei, aufgehängt an Förderbändern. Eine Metalltür führt ins Treppenhaus, von dort geht es nach unten. Es ist warm, es riecht nach Öl. Der alte Luftschutzbunker. Gutzmann stemmt sich gegen die Riegel. „Hier erinnern wir an die Gründungszeit“, sagt sie. Es ist eine Ausstellung über die Zwangsarbeiter, direkt am Ort des Verbrechens.

Adolf Hitler wollte das Land motorisieren. Möglichst viele Autos für möglichst viele Deutsche. So etwas wie der „Standard Superior 1“, den Josef Ganz im Jahr 1933 auf der Automobilausstellung präsentierte. Nach allem, was man heute weiß, verweilte Hitler bei der Messe lange bei diesem Wagen. Doch Ganz war Jude. 1934 musste er in die Schweiz fliehen. Im gleichen Jahr erhielt das Büro von Ferdinand Porsche von den Nazis den Auftrag, einen Wagen fürs Volk zu bauen. Den Volkswagen, der zuerst „Kraft-durch-Freude-Wagen“ genannt wurde und später Käfer. Und der dem Entwurf von Ganz doch sehr ähnelt. Im Bunker erinnern sie an den Mann.

Durch die offen stehende Tür lugt neugierig ein VW-Arbeiter, Blaumann, Schraubenschlüssel in der Hand. Ein schneller Blick auf die Geschichte.

Aus dem Plan, das Volk mit Autos auszustatten, wird damals nichts, denn bald nach dem Baubeginn der Volkswagen-Fabrik überfallen die Deutschen Polen. Die Menschen in den halbfertigen Hallen schrauben nun Geländewagen fürs Militär zusammen, auch Raketenteile. Zwangsarbeiter werden herbeigeschafft, um die Kriegsproduktion zu sichern.

„Hier sind Kinder verhungert worden“, sagt Gutzmann und zeigt auf verblichene Fotos, die im Schaukasten hängen, zu sehen sind Babys der Zwangsarbeiter. Der verantwortliche Werksarzt wird nach dem Krieg zum Tode verurteilt. Auch die zuständige Schwester Ellen. Sie wird begnadigt. „Und sie fängt wieder bei VW an, danach“, sagt Gutzmann, wie so viele andere.

Es dauert 60 Jahre, bis die Historiker von VW ernsthaft mit der Aufarbeitung von all dem beginnen. 1998 wird bei Umbauten zufällig der Grundstein auf dem Gelände gefunden, mit Hakenkreuz. Er gehört heute auch zur Ausstellung. Mitarbeiter fahren regelmäßig zum Konzentrationslager nach Ausschwitz, und sie besuchen auch diesen Erinnerungsort.

Was also dachte die geduldige Historikerin Gutzmann, als sie hörte, wie ihr Vorstandschef sagte „Ebit macht frei“? „Wie schade, dachte ich.“

VI. Die Marken

Um zu erfassen, was trotz oder wegen dieser Historie aus Volkswagen geworden ist, lohnt der Besuch in der „Autostadt“ ein paar Hundert Meter weiter: Ein Park, der alles abbildet, was diesen Konzern zum größten Fahrzeugbauer der Welt macht. Autos, überall. Selbst auf dem Klo. „Hier absolutes Halteverbot“, steht an einem abgesperrten Pissoir. Sorgfältig ausgedruckt in VW-Design, schön lotrecht gehängt.

Die Autostadt ist so etwas wie ein riesiger, begehbarer Werbespot, es gibt die berühmten Glastürme, aus denen Käufer ihre neuen Autos abholen können, und für jede Konzernmarke einen Pavillon. Jede Marke hat in der internen Hierarchie seinen Platz.

Porsche und Audi stehen ganz oben, sie bringen das meiste Cash. Aber die Marke VW ist das Herzstück des Unternehmens, mit dem Golf, dem ID.3, dem Touran. Mag ja sein, dass die Marge da bescheidener ist, aber diese Absatzzahlen! Und von den Ingenieurtaten zehren ja alle anderen!

Womit man in der zweiten Reihe wäre. Diejenigen, die bitte einfach sehr ordentlich und in großen Stückzahlen abkupfern sollen, was Wolfsburg so vormacht. Aber Vorsicht: nicht mit zu viel Erfolg. Im vergangenen Jahr verkaufte der Skoda-Chef Bernhard Maier, Dienstsitz in Tschechien, die Superbs, Octavias und Kodiaqs in Westeuropa immer erfolgreicher. Auch weil diese Autos sich dank der vom Konzern entwickelten und massenhaft für alle Marken eingekauften Teile vergleichsweise günstig bauen lassen. Als er dann auch noch in luxuriösere Segmente vordringen wollte, vollends ins Fürstentum der Marke VW, fackelte Diess nicht lang: Er feuerte Maier.

Die Hierarchie muss verteidigt werden, so sehen das viele hier. Wenn man also die Frage stellt, warum Volkswagen so ein komplizierter Konzern ist, dann liegt die Antwort auch darin, dass hier jeder den Erfolg des anderen nur bis zu einem gewissen Maß verkraftet.

VII. Das Testosteron

Das Büro von Hiltrud Werner ist ein Raum voller Versprechen, im wörtlichen Sinn. Bunte Pappwürfel stapeln sich auf dem Boden, darauf Schlagworte von einer besseren Welt: „Zero Hunger“ steht auf einem, „Peace, Justice and Strong Institutions“ auf einem anderen. Ein Utopia auf Karton. Und Hiltrud Werner ist die Frau, die dafür sorgen soll, dass Volkswagen auch etwas beiträgt zu einer besseren Welt.

Das wird nicht leicht.

Der Dieselskandal war wahrscheinlich der größte Industriebetrug der Nachkriegsgeschichte, und bei der Frage, wie es so weit kommen konnte, landet man zwangsläufig bei der Kultur, die Volkswagen über Jahrzehnte gepflegt hat. Oder besser: Die die Männer von Volkswagen hier etabliert hatten. Klar, sie bemühen sich jetzt. Herbert Diess erzählt der Öffentlichkeit jetzt brav, dass er gemischte Teams eigentlich viel besser findet.

Hiltrud Werner ist seit 2017 Vorständin für Integrität und Recht – und sie ist die einzige Frau im Konzernvorstand. Sie kennt die Materie also von allen Seiten.

Werner sagt: „Es gibt viele Faktoren im System Volkswagen, die den Dieselskandal begünstigt haben.“ Am schlimmsten sei, „dass es damals nicht üblich war, abweichende Meinungen zu äußern“. Das mag an der Sorge vor Konsequenzen gelegen haben, aber vielleicht auch daran, dass es keine abweichenden Blickwinkel gab. Weil die Entscheider bei VW eben fast ausschließlich deutsch, weiß, im besten Alter und mit privilegiertem Einkommen ausgestattet waren. Und eben fast alles Männer.

Ist der Dieselskandal ein Männerskandal, Frau Werner?

Werner holt tief Luft, dann sagt sie: „Wäre Volkswagen diverser aufgestellt gewesen, wäre die Kultur natürlich eine andere gewesen. So gesehen – ja.“

VIII. Die Technologie

Früher war erfolgreich in der Autoindustrie, wer sich am meisten um ruhig laufende Kolben bemühte, wer das Spaltmaß zwischen Tür und Fassung auf den Millimeter genau einhielt, wer die meisten PS auf die Straße brachte. Das war die Zeit von Piëch und seinen Sportwagen. Künftig aber geht es um Software. Und da ist niemand so gut wie Tesla. Auch Volkswagen nicht, schon gar nicht. Im vergangenen Sommer stand sogar der Start des Prestigemodells ID.3 auf der Kippe, weil die Software nicht laufen wollte.

Lange war da dieses Selbstbewusstsein, diese Hybris: Niemand baut bessere Autos als wir. Dass stimmte auch, für den Verbrenner. Aber dass Autos bald von Grund auf anders funktionieren, haben sie verdammt spät mitgekriegt in Wolfsburg. Während sie sich bei Volkswagen im vergangenen Jahr unter anderem in interne Grabenkämpfe verstrickten, wie immer, baute Tesla ihnen in Brandenburg die Gigafactory ziemlich provokant praktisch vor die Haustür. Am Ende wird der Bau zwei Jahre gedauert haben – so lange braucht bei Volkswagen manchmal der Genehmigungsantrag für einen rückenfreundlichen Stehtisch. Weil in Wolfsburg immer erst mal jeder gegen jeden Krieg führen muss, bevor dann doch irgendwas geht.

Was also spricht für Volkswagen? Der Vorstandschef Diess glaubt: Die Größe.

Er rechnet so: Die Entwicklung eines Zentralrechners kostet Volkswagen mehrere Milliarden Euro. „Aber wir können es auf zehn Millionen Autos umlegen. Tesla nur auf eine Million. Das Rennen ist noch nicht entschieden.“ Tatsächlich hat er große Pläne: Der Absatz der E-Autos zieht endlich an, der Börsenkurs auch, Audi und Porsche haben Konkurrenz für Teslas Model S im Angebot, in zwei Jahren soll „Trinity“ auf den Markt kommen, ein Auto für die breite Masse. Natürlich hatten sie das auch schon über den ID.3 gesagt, aber vielleicht wird es ja diesmal wirklich was.

Immerhin haben sie dafür bei VW nun die Car-Software-Organisation gegründet, eine gewaltige Programmierfirma. Unnötig zu erwähnen, dass es um die Organisation schon einen Haufen öffentlich ausgetragene Streiterei gab. Der erste Chef der Car-Software-Organisation wurde abgesägt, da war er erst zwei Wochen im Amt.

Das war satirisch wertvoll, wie immer in dieser großen, endlosen Seifenoper Volkswagen. Die Frage ist nur: Wer lacht?

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Einschübe:

Konzernchef Diess postet
im Netz ein Video von sich: eine
Testfahrt im Batman-Kostüm

Piëch sagte, seine Familie teile
sich auf in „Hausschweine“
und in „Wildschweine“

In Wolfsburg gab es lange
"E"-Nummernschilder: Ah, hier
parkt die Frau Managergattin

Intern verkraftet der eine
den Erfolg des anderen stets
nur bis zu einem gewissen Maß

Ist der Dieselskandal ein
Männerskandal, Frau Werner?
Ja, sagt die Vorständin

Wohin VW steuert:
Die wichtigsten Zahlen des
vergangenen Jahres sind bei
Volkswagen schon bekannt, und
es gilt wie bei den meisten
deutschen Autokonzernen:
2020 lief nicht gut, aber besser
als zu Beginn der Corona-Pandemie
befürchtet. 9,3 Millionen
Autos, Busse und Lastwagen
wurden ausgeliefert, macht
223 Milliarden Euro Umsatz.
Das ist alles weniger als im Vorjahr,
Konkurrent Toyota holt sich
die Marktführerschaft zurück.
Aber es bleibt ein ordentlicher
Gewinn hängen, vor
Steuern etwa zehn Milliarden
Euro. Der Grund: Die hohe Nachfrage
nach teuren Audis
und Porsches, vor allem in China.

Wer VW steuert:
Die Familien Porsche und Piëch
sind die größten Anteilseigner
bei VW und haben durch sogenannte
Stammaktien die Mehrheit
der Stimmrechte. Doch eine
einmalige Regel, das VW-Gesetz,
sichert auch dem Land Niedersachsen
Anteile, 20 Prozent der
Stimmrechte und Einfluss im
Aufsichtsrat. In diesem Gremium
sind zudem die Arbeitnehmer
vertreten. Für das Errichten einer
Fabrik etwa braucht es eine
Zwei-Drittel-Mehrheit im
Aufsichtsrat – das geht nicht
ohne den Betriebsrat. Mit 17
Prozent ebenfalls an VW beteiligt,
aber meist ohne wesentlichen
Einfluss auf Entscheidungen
ist zudem das Emirat Katar.

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Bildunterschriften:

VW-Chef Herbert Diess kommt Tesla-Chef Elon Musk kaum hinterher. VW prägen und prägten auch sie: Ex-Boss Martin Winterkorn und Ex-Audi-Chef Rupert Stadler, beide angeklagt, „Käfer“-Erfinder Ferdinand Porsche, Vorständin Hiltrud Werner, Wolfgang Porsche, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (von links).

Duell bis an die Grenzen der Peinlichkeit – und darüber hinaus: Betriebsratschef Bernd Osterloh, Konzernchef Herbert Diess.

Als einzige Frau im Vorstand kennt Hiltrud Werner alle Seiten männlicher Eitelkeit – der Chef inszeniert seine im Internet.