Spitzenkräfte
von Julia Huber
Süddeutsche Zeitung vom 18.04.2020
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Spitzenkräfte
Sie kommen aus der Uni, der Großküche oder wurden von den Eltern geschickt. Mit dieser Truppe will das Spargelparadies Gabelsberger jetzt die Ernte retten. Eine Geschichte übers Bücken
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Die Vorstellungsrunde hat Sepp Gabelsberger vergessen. Eigentlich wäre es ja nett gewesen, wenn jeder seinen Namen sagt, sein Sohn hat extra Zeit dafür eingeplant, aber was soll’s. Es ist Freitag, 6.30 Uhr, und Vorstellungsrunden gehören nun mal nicht aufs Spargelfeld.
Auch die neuen Erntehelfer wirken nicht so, als würden sie hierhergehören – zumindest noch nicht. Da ist ein Gabelstaplerfahrer in Jogginghosen und ein Koch mit sehr weißen Turnschuhen. Außerdem eine Mediendesignerin, eine Pharmaziestudentin und einer, der eigentlich nichts macht. Seine Eltern haben ihn hergeschickt.
Josef Gabelsberger und sein Sohn heißen beide Josef Gabelsberger. Auch der Urgroßvater und der Ururgroßvater hießen schon so. Keiner weiß mehr, wer das angefangen hat. Die beiden sind aber leicht zu unterscheiden. Der Vater, 65, genannt Sepp, hat graues Haar und eine große Liebe zu Spargel-Fachbegriffen wie „Dreifachabdeckung“ oder „Tunnelfolie“.
Er ist der Mann fürs Praktische. Der Sohn, 33, genannt Josef, hat braunes Haar, ist eigentlich Bankberater, aber immer für eine Herausforderung zu haben. Er ist der Mann fürs Organisatorische. Sein Handyklingelton: Don’t Stop Believin’.
Ein gutes Team für eine große Aufgabe. Aus diesem Grüppchen, das da im Staub steht, sollen Spargelstecher werden. Und das am besten schnell. Denn zum Spargelparadies Gabelsberger gehören vier Felder, insgesamt elf Hektar, und heute beginnt die stressigste Zeit des Jahres, die Spargelsaison.
Eigentlich lief die Ernte hier in Abensberg, hundert Kilometer nördlich von München, immer gleich ab. Das Spargelfeld – lange Reihen aus kniehoher Erde, zugedeckt mit Plastikfolie – war Zuständigkeitsgebiet von 20 ungarischen Saisonarbeitern.
Sie kamen seit Jahren. Sie achteten darauf, dass die Folie saß. Sie erkannten reifen Spargel, selbst wenn er noch nicht den Kopf rausstreckte. Sie wussten, was zu tun ist. Aber jetzt, seit Corona, kann das ja niemand mehr von sich behaupten.
Erst waren die Grenzen zu. Dann beschlossen Horst Seehofer und Julia Klöckner, dass es okay ist, wenn 80000 Saisonarbeiter mit dem Flieger über die Grenzen kommen. Sie hatten Druck: 120000 Erntehelfer werden bis Ende Mai in Deutschland gebraucht, 300000 über das ganze Jahr. Josef Gabelsberger las die Auflagen. Wer Saisonarbeiter will, erfuhr er, muss sich um medizinisches Personal, eine doppelt so große Unterkunft und viel Papierkram kümmern. Da entschieden er und sein Vater, dieses Jahr etwas Neues zu probieren.
Unter Bauern ist „Wie viele hast du gekriegt?“ zum neuen „Wie geht’s?“ geworden.
Die Saisonarbeiter sind Thema jeder Unterhaltung. Mitgefühl bekommt, wer keine hat. Ein Hopfenbauer hat den Gabelsbergers drei seiner rumänischen Helfer rübergeschickt.
Für zwei Wochen. Er fand, sie brauchen die jetzt dringender als er. Während die Rumänen sofort mit Werkzeug aufs Feld laufen, kümmert Sepp Gabelsberger sich um die Neulinge, die sich noch nicht weit von ihren Volvos, Golfs und Corsas weg getraut haben. Er beginnt seine Schulung ganz weit vorne, bei den Basics.
„Wir stehen jetzt vor dem Spargelfeld, wo wir heute angreifen“, sagt er. Die Helfer schauen auf das Feld, das den schönen Namen Schinderacker trägt. Ein Glück, dass es hier fast genauso aussieht wie in dem Youtube-Video, das Josef Gabelsberger auf Whatsapp herumgeschickt hat. „Spargel stechen, aber richtig“, heißt es. Das Video ist seit dem 30. März online und hat schon jetzt mehr als 20000 Aufrufe, mutmaßlich von Nachwuchs-Spargelstechern, die sich im Homeoffice aufs Feld vorbereiten.
In der Video-Beschreibung steht: „Ein kleines Tutorial für all die neuen Erntehelden.“ Wer an diesem Tag die Titelseite der Mittelbayerischen, der Zeitung in der Region, anschaut, weiß, was die bayerische Agrarministerin Michaela Kaniber sich unter einer Ernteheldin vorstellt. Ein Spargelmesser in der Rechten, einen imposanten Spargel in der Linken kniet sie auf einem Feld.
Knien? Josef Gabelsberger hat den Verdacht, dass sie den Spargel gar nicht selbst gestochen hat. „Ministerin zur Spargelernte: Wer kann, soll anpacken“, steht darunter.
Der Meinung sind auch Ministerin Klöckner und Minister Seehofer. In einem gemeinsamen Papier planen sie, im April und Mai je 10000 Freiwillige für die Erntearbeit zu gewinnen. Sie schreiben vom „großen Potential der verschiedenen Personengruppen Im Inland (Arbeitslose, Studierende, Asylbewerber, Kurzarbeiter)“.
Von dem großen Potenzial sind nicht alle so überzeugt, vor allem die Landwirte nicht. Sie warnen, dass Erntearbeit kein Hobby und nichts für Ungelernte sei.
„Deutsche kann ich nicht gebrauchen“, titelt die Bild und zitiert damit einen niedersächsischen Spargelbauern. In Stichpunkten folgen dann die Gründe dafür. Frei übersetzt: Deutsche Erntehelfer seien unflexibel, unverlässlich, potenzielle Virenschleudern und obendrein Jammerlappen.
Josef Gabelsberger hat sich in seinem Leben nur selten Gedanken über das Spargelstechen gemacht. An normalen Tagen trägt er weiße Hemden, der Job in der Bank gefällt ihm. Und nur weil er denselben Namen trägt, heißt das nicht, dass er auch denselben Beruf haben muss wie sein Vater und Großvater, beide Landwirte. Aber als er sah, wie Sepp Gabelsberger ganz ohne Erntehelfer dastand und darüber nachdachte, den Spargel auf dem Feld verderben zu lassen, sagte er: „Wir organisieren das, oder versuchen’s zumindest.“ Mit seiner Freundin schrieb er ein Facebook-Posting, „Erntehelfer dringend gesucht!“, es meldeten sich 60 Leute. Josef Gabelsberger führte keine Auswahlgespräche. Er sagte den ersten 30 zu und schrieb 20 weitere auf eine Warteliste.
In der Nacht bevor die Neuen kommen, schläft er schlecht, so erzählt er es. Er hat alles organisiert. Den Arbeitsplan, wer wann anfängt. Die Whatsapp-Gruppe, in der alles steht. „Bitte denkt daran, für euren ersten Tag auf dem Feld Folgendes mitzubringen“, hat er in die Gruppe geschrieben. Feste Schuhe, „Zwiebellook“, Arbeitshandschuhe, eventuell kleine Brotzeit.
Die neue Crew hat sich an die Liste gehalten. Fast alle tragen Turnschuhe, nur ein paar haben die Handschuhe vergessen, der Koch hat eine Disney-Brotzeitbox mit gefüllten Teigrollen dabei. Jetzt liegt es an Sepp Gabelsberger, allen die Technik beizubringen.
Er erklärt:
Schritt eins: Die Folien abdecken und sie dabei bitte nicht zerreißen.
Schritt zwei: Spargel finden.
Schritt drei: Zeige- und Mittelfinger zu einem V formen und damit die Erde rings um den Spargel wegbuddeln.
Achtung, sagt Sepp Gabelsberger, „man kann da auch viel kaputtmachen.“
Schritt vier, der Höhepunkt: Spargel mit dem Messer abstechen. Am besten im Ganzen.
Sepp Gabelsberger sagt: „Was nicht abbricht, freut uns.“ Josef Gabelsberger sagt: „Und was abbricht, bitte trotzdem in die Kiste. Nichts wegschmeißen.“
Schritt fünf: Das Loch wieder zumachen und alles glatt klopfen.
Und dann ist da noch eine Sache, vielleicht die allerwichtigste: Auf den Boden knien ist verboten. Sepp Gabelsberger sagt das natürlich nicht wörtlich. Er formuliert es so: „Dass man sagt, man kniet sich da so her… so was kann man gleich vergessen.“
Eigentlich hatte er gar nicht daran gedacht, dass er das dazusagen muss. Wer sich in die Erde kniet, kommt langsam voran. Wer kniet, erntet sicher keine Spargelstange innerhalb von 20 Sekunden. Und erst dann rechnet es sich. Eine Verwandte brachte ihn darauf, dass das Offensichtliche trotzdem angesprochen werden muss.
Als Vater und Sohn ihr von den neuen Helfern erzählten, habe sie als Erstes gesagt: „Der wo sich hinkniet, den kannst du gleich nach Hause schicken.“
Die Erntehelfer nicken jetzt. Einer, der sonst als Chefkoch arbeitet, ist auch gegen das Hinknien. „Des is nix!“, ruft er. Sepp Gabelsberger ist zufrieden mit dieser Reaktion. Dann gibt er den Startschuss, „jetzt schnappt sich jeder seine Reihe. Und ich schau durch.“ Nach gut anderthalb Stunden wird der Erste auf den Knien sein.
Alle Helfer stapfen los. Spargel anvisieren, graben. Auf Youtube sah das irgendwie geschmeidiger aus. Ein Helfer hält eine Spargelspitze hoch, die er versehentlich abgerissen hat. Könnte man jetzt auch verschwinden lassen, in der Erde verbuddeln.
Aber nein, es soll ja alles in die Kiste. Auch die abgerissenen Spargelspitzen werden später noch im Hofladen verkauft. Bei der Spargelernte hat jeder eine Kiste mit Rollen, zum Ziehen. Jede Kiste hat einen Strichcode, der dem Spargelstecher zugeordnet werden kann. Landwirte werten dadurch aus, wer am meisten Spargel geschafft hat und wer am wenigsten. Wer perfekte, gerade Schnitte macht, und wer alles abbricht.
Die ersten Spargel und Spargelteile liegen in den Kisten. Alle Helfer bewegen sich in mäßiger Geschwindigkeit an ihren Reihen entlang, gucken unauffällig, wie weit die anderen sind. Niemand will der Letzte sein. Es ist ein bisschen wie bei „Tempo, kleine Schnecke!“, dem Brettspiel für Kinder im Alter von drei bis sieben. Nur dass die Schnellsten schon feststehen: die drei rumänischen Saisonarbeiter, die am hintersten Ende des Feldes zu sehen sind.
Die Gabelsbergers schauen bei jedem der Neulinge mal vorbei. Sepp liefert Expertenwissen zum Spargel-Schönheitsideal: 22 Zentimeter, kerzengerade, mit geschlossenem Kopf.
Josef gibt gut gemeinte Tipps, aber versucht, nicht wie ein Kontrolleur rüberzukommen, „weil selber kann ich’s vielleicht auch nicht besser.“
„Ich merk’s schon im Rücken“, sagt die Pharmaziestudentin, die alles sehr ordentlich macht und deshalb Sepp Gabelsbergers heimliche Favoritin ist. Selbst wie sie buddelt, sieht irgendwie ordentlich aus.
Aber das ändert nichts daran, dass Spargelstechen gleichbedeutend ist mit gebückter Haltung. Permanente Vorwärtsbeuge, zigtausend Mal am Tag. Sie spielt Handball, aber offenbar ist Handballtraining kein Spargelstechertraining. Sie sagt: „Ich hab daheim ein Wärmekissen. Das kommt dann heute zum Einsatz.“
Eine Reihe weiter ist der Staplerfahrer unüberhörbar. Er hat Musik auf seinem Handy aufgedreht. „Man nennt mich Ladykiller. Nicht Meier oder Müller, ich bin der Ladykiller“, dröhnt es aus der Seitentasche seiner Jogginghose. Er sticht den Spargel im Takt. Der Ladykiller hat Heimspiel. Er hat vor Jahren mal als Spargelstecher gearbeitet, er weiß, wie es geht. Damals war er der einzige Deutsche unter Rumänen.
Deutsche Spargelhöfe und osteuropäische Saisonarbeiter, das lief jahrzehntelang gut. Die Höfe boten Busse, Unterkunft und Mindestlohn. Die Arbeiter kamen pünktlich zur Saison, schätzungsweise zwei Drittel aus Rumänien, ein Drittel aus Polen, ein paar aus Ungarn und der Ukraine.
Und sie kamen mit nur einem Ziel: arbeiten. Die Saisonarbeiter ackern im Schnitt zehn Stunden am Tag, sechs Tage die Woche – und keiner macht früher Feierabend, weil die Oma Geburtstag hat oder das Kind Läuse. Ein Traum für Arbeitgeber, nur waren sie in den letzten Jahren immer schwerer zu bekommen. Die Löhne in Polen und Rumänien steigen, weshalb viele lieber zu Hause aufs Feld gehen.
Der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer rechnet, dass es drei bis vier heimische Helfer braucht, um einen osteuropäischen Saisonarbeiter zu ersetzen – wegen des Zehn-Stunden-Arbeitspensums.
Josef Gabelsberger hat 30 Helfer als Ersatz für 20 Ungarn eingeplant. Er hat alle gebeten, sich in eine Vormittags- oder eine Nachmittagsschicht einzutragen. Lieber nicht in beide, damit keiner sich übernimmt.
Dem Staplerfahrer wurde es damals zu viel. Sein Rücken tat so weh, irgendwann konnte er nur noch mit mehreren Schmerztabletten aufs Feld. Heute ist er gewappnet, mit Ibu 800 für den Rücken und seiner Party-Playlist für die Motivation. Er hat sich vorgenommen, diesmal durchzuhalten.
Ob die anderen das auch schaffen, bezweifelt er. „Werden wir mal schauen, wie lange die Leute hier bleiben.“ Er schätzt, dass kommende Woche schon fünf seiner Kollegen aufgeben werden, „mindestens“.
Er guckt ein bisschen in der Gegend herum, da sieht er seinen Reihennachbarn, einen Mann aus der Autoindustrie. „Der erste kniet ja schon! Dem tut das Kreuz schon weh!“, ruft er und lacht. Es stimmt.
Der Mann hat sich kurz auf die Knie rutschen lassen. Er ignoriert die Sprüche. Sepp Gabelsberger ist auch nicht in der Nähe. Trotzdem steht er schnell wieder auf.
„Wenn mein Rücken wehtut, knie ich mich auch hin“, sagt er, „ich bin ein erwachsener Mensch.“
Normalerweise verpackt er Stoßstangen in Schachteln. Aber in der Autoindustrie ist ja zurzeit nichts los – im Gegensatz zum Spargelfeld. Er kennt die Gabelsbergers schon lange. Seine Ernte-Motivation erklärt er so: „Wenn man jemandem helfen kann, soll man helfen, sag ich mal.“
Beim Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer heißt es, dass es zwei Gruppen freiwilliger Helfer gibt. Die einen melden sich aus Solidarität, weil sie von der Not der Bauern gehört haben. Die anderen müssen ihre Miete bezahlen. Letztere halten erfahrungsgemäß länger durch. Die solidarischen Helfer eher nicht. Die können oft nur samstags drei Stunden und müssen noch ihren Hund mitbringen.
Der Chefkoch kommt aus Solidarität, der Koch wegen des Geldes, und beide „für die Psyche“. Sie arbeiten zusammen in einer Großküche. Normalerweise braten sie bis zu tausend Schnitzel an einem Tag, und jetzt plötzlich kein einziges mehr. Hier auf dem Feld sind sie von Großmengen auch noch weit entfernt. Das ist aber nicht ihre Schuld. Weil heute der allererste Tag der Ernte ist, ist noch nicht so viel Spargel reif.
Die Natur hält sich nicht an Abgabetermine. Erst wenn das Wetter in den kommenden Wochen warm bleibt und sich die Erde aufheizt, wird der Spargel in großen Mengen aus dem Boden kommen.
Der Chefkoch hat ein paar mickrige Spargelstangen in seiner Kiste liegen. „Genau wie dein Salat!“, witzelt der Koch und erntet gleich einen Rüffel vom Chef.
„Schnauze!“, bellt der. Man muss dazusagen, dass dies schon seine zweite Kiste ist und die erste bis oben gefüllt war. Außerdem hatte er ein schlechtes Messer.
Es ist jetzt 10.18 Uhr vormittags, knapp vier Stunden Erntearbeit, und Sepp Gabelsberger ruft schon alle zum Abschlusskreis zusammen. Weil heute nur wenig Spargel reif war, ist die Arbeit schon erledigt. Keiner der Helfer wirkt traurig darüber. Dann kommt das Feedbackgespräch: „Das ist eine Übungssache“, sagt Sepp Gabelsberger, „ihr werdet alle noch besser.“ Eine kleine Mahnung hat er. Die „Tunnelfolie“ müsse künftig sorgsamer behandelt werden.
Josef Gabelsberger ist für die Motivation zuständig. „Ich bin begeistert von euch“, sagt er. „Habt ihr alle gut gemacht. Also super!“ Bei der Sonst-noch-Fragen?-Runde will einer wissen, wie das in den nächsten Tagen mit der Pause ist. Ob ein Erntetag ein guter war, zeigen am Ende die Zahlen. 15 Erntehelfer haben 110 Kilo Spargel gestochen. Der Vergleich ist gemein, aber: An guten Tagen erntet ein einziger guter Spargelstecher 120 Kilo. Es ist also noch Potenzial. Erst dann lohnt es sich für die Gabelsbergers.
Sepp und Josef Gabelsberger beschließen, heute nicht die Strichcodes auf den Kisten auszuwerten. Nicht nachzuschauen, ob die Pharmaziestudentin wirklich so ordentlich war und der Staplerfahrer so schnell. Oder ob die drei Rumänen vielleicht den Großteil des Spargels geerntet haben. „Da ist der Aufwand zu viel“, sagt Josef Gabelsberger. „Ich muss jedem eine Chance geben“, sagt sein Vater. Jeder dürfe an seinem ersten Tag Fehler machen.
Es ist Spätnachmittag, Josef Gabelsberger sitzt auf einer Bank vor dem Haus, da kommt ein Mann im Poloshirt auf den Hof geradelt, neben ihm ein kleiner Junge.
„Ähm, Frage…“, sagt der Mann, „wie schauts’n bei euch aus mit den Erntehelfern?“
Er stellt sich kurz vor. Er wohnt in der Nähe und ist Pilot bei Condor. Der Fluggesellschaft, die jeden Tag in den Nachrichten ist, weil keiner sie kaufen will.
Er spricht über die Flüge, mit denen Saisonarbeiter aus Osteuropa eingeflogen werden. 6400 kamen in den ersten fünf Tagen. Er will wissen, „ob’s da mehr Bedarf gibt“. Ein Pilot auf einem Fahrrad, der nach Fluggästen sucht.
Diese Corona-Zeit ist eben voller Absonderlichkeiten.
„Macht natürlich für einen Betrieb allein nicht so viel Sinn, Flüge zu chartern“, sagt er, „oder vielleicht schon?“ Josef Gabelsberger schaut ihn an. Das wäre jetzt seine Gelegenheit, doch noch professionelle Helfer zu organisieren. Eine Chance, die förmlich angeradelt kam. Man könnte es Schicksal nennen. Josef Gabelsberger wartet, bis der Pilot fertig gesprochen hat.
Dann sagt er: „Nein, wir haben jetzt viele Einheimische. Da haben sich jede Menge gemeldet.“ Der Pilot nickt. Ah o.k., hätte ja sein können. Sie verabschieden sich.
„Gut, na dann viel Erfolg bei der Ernte.“ „Ebenso… beim Fliegen.“
Sepp Gabelsberger ist schon wieder los, um mit den Rumänen etwas zu reparieren.
Josef Gabelsberger guckt in den Schichtplan auf seinem Smartphone: Sie haben 30 Helfer. Zwei von ihnen werden in den nächsten Tagen aufgeben. Aber es sind ja noch 20 auf der Warteliste.
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Einschübe:
Die Bauern reden nur noch über Erntehelfer. Die wichtigste Frage: "Wie viele hast du gekriegt?"
Wer was kann, zeigt sich schnell. "Der wo sich hinkniet, den kannst gleich nach Hause schicken."
Am Nachmittag radelt ein Mann auf den Hof der Gabelsbergers. Er hat ein erstaunliches Angebot.
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Bildunterschrift:
Josef Gabelsberger heißen beide, der Vater aber wird Sepp genannt. Und der Sohn hat mit einem Hilferuf auf Facebook all die neuen Helfer gefunden